In der digitalen Ära stehen juristische Rahmenbedingungen vor neuen Herausforderungen, insbesondere wenn es um künstliche Intelligenz und urheberrechtliche Fragen geht. Ein aktueller Fall vor dem LG Hamburg beleuchtet erstmals die komplexen Zusammenhänge zwischen KI, Text- und Datamining sowie dem Urheberrecht und setzt bedeutende Akzente für die zukünftige rechtliche Behandlung dieser Themen.
Hintergrund:
Geklagt hatte ein Fotograf, dessen Bild in einen Trainingsdatensatz für KI-Systeme, mit über 6 Milliarden anderer Bildern und Texten, eingespeist wurde. Das Bild hatte er zuvor auf einer Webseite hochgeladen, in deren Nutzungsbedingungen eine Nutzung des hochgeladenen Materials durch automatisierte Programme untersagt wurde.
Die Kernfrage ist hierbei, ob die Nutzung von urheberrechtlich geschützten Werken ohne ausdrückliche Genehmigung des Rechteinhabers zulässig ist oder ob es eine unzulässige Vervielfältigung und Bearbeitung im Sinne des Urheberrechtsgesetzes darstellt.
Prozess vor dem LG Hamburg:
Eine Antwort auf diese Frage könnte sich aus § 44b UrhG ergeben.
§ 44b Text und Data Mining
(1) Text und Data Mining ist die automatisierte Analyse von einzelnen oder mehreren digitalen oder digitalisierten Werken, um daraus Informationen insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen zu gewinnen.
(2) Zulässig sind Vervielfältigungen von rechtmäßig zugänglichen Werken für das Text und Data Mining. Die Vervielfältigungen sind zu löschen, wenn sie für das Text und Data Mining nicht mehr erforderlich sind.
(3) Nutzungen nach Absatz 2 Satz 1 sind nur zulässig, wenn der Rechtsinhaber sich diese nicht vorbehalten hat. Ein Nutzungsvorbehalt bei online zugänglichen Werken ist nur dann wirksam, wenn er in maschinenlesbarer Form erfolgt.
Die Frage der Anwendbarkeit des § 44b UrhG auf KI-Trainingssätze ist bisher umstritten. Die Rechtsprechung bejaht dies und sieht ihre Auffassung unter anderem durch den AI Act bestätigt. Die Literatur argumentiert hingegen, dass der Gesetzgeber bei der Einführung des § 44b UrhG keine generative KI gemeint haben kann und daher nur automatische Mustererkennung umfasst sein soll. Das LG Hamburg teilte vorab mit, dass es den § 44b UrhG auf Trainingssätze für KI im vorliegenden Fall für anwendbar hält.
Fraglich ist, ob die in den Nutzungsbedingungen enthaltene Bedingung, dass Bilder nicht durch automatisierte Systeme genutzt werden dürfen, einen Vorbehalt des Rechteinhabers im Sinne des § 44b Abs. 3 UrhG darstellt.
Ein etwaiger Nutzungsvorbehalt wäre jedoch nur dann wirksam, wenn er in maschinenlesbarer Form vorliegt. Daher ist ein zentraler Aspekt die Definition des Begriffs „Maschinenlesbarkeit“. Einerseits könnte es ausreichend sein, wenn der Vorbehalt wörtlich, also ohne jegliche technische Ausgestaltung, in den Nutzungsbedingungen enthalten ist. Andererseits könnte gefordert werden, dass der Vorbehalt für Maschinen tatsächlich auch als solcher erkennbar sein muss. Im Bereich von Suchmaschinen wird dies durch das Dateiformat robots.txt gewährleistet. Dieses Format gibt einem Programm zu erkennen, dass die entsprechende Datei nicht genutzt werden darf.
Welcher Ansicht das Gericht folgen wird, ist noch nicht ersichtlich.
Erstaunlich ist darüber hinaus, dass das Gericht nicht auf § 60d UrhG eingegangen ist. Dieser Ausnahmetatbestand lässt nämlich die Vervielfältigungen für Text und Data Mining im Sinne von § 44b Abs. 1, 2 S.1 UrhG für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung unter gewissen Voraussetzungen zu. Klagegegner und Ersteller des erwähnten Datensatzes ist ein gemeinnütziger Verein, mit dem Ziel Forschung im KI-Bereich zu fördern. Daher wäre es allenfalls nicht abwegig diese Ausnahmevorschrift in Betracht zu ziehen.
Ausblick:
Das Urteil, welches wohl am 27.09.2024 ergehen soll, wird in Rechtskreisen mit großer Spannung erwartet. Es wird wegweisend für den künftigen Umgang mit der Erstellung von Datensätzen im Zusammenhang mit KI sein. Die 10. Zivilrechtskammer des LG Hamburg hat außerdem erkennen lassen, dass die Frage geeignet sei für ein Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH.
Problematisch erscheint hingegen, dass § 44b UrhG keine finanziellen Ausgleichmechanismen vorsieht. Folglich müssten Urheber die Vervielfältigung ihrer Werke im Rahmen von KI-Trainingsdatensätzen dulden, ohne eine finanzielle Entschädigung dafür zu erhalten. Dies erscheint vor allem aufgrund der nach wie vor unklaren Transparenzpflichten von KI-Entwicklern ein fragwürdiges Ergebnis zu sein.
Es bleibt also abzuwarten wie das Gericht entscheidet und wie sich die weiteren Entwicklungen im Bereich von KI und Urheberrecht abzeichnen.
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