In einem aktuellen Beschluss hat das Landgericht München I klargestellt, dass einem Unternehmen ein Auskunftsanspruch nicht nur gegenüber der Bewertungsplattform Kununu, sondern auch gegenüber Google zustehen kann. Hintergrund war das berechtigte Interesse des Unternehmens an der Identifizierung der Verfasser zweier negativer Bewertungen. Da Kununu im Rahmen der ersten Auskunft keine hinreichenden Informationen bereitstellte, klagte das Unternehmen auf Verpflichtung zur Offenlegung weiterer Daten gegen Google. Die Entscheidung unterstreicht die Reichweite des Auskunftsanspruchs nach § 21 TDDDG im Kontext anonymer Onlinebewertungen.
Hintergrund: Anonyme Bewertungen mit Folgen
Auf der Arbeitgeber-Bewertungsplattform Kununu waren zwei kritische Kommentare über das klagende Unternehmen veröffentlicht worden. Diese enthielten aus Sicht des Unternehmens nicht nur sachlich falsche Behauptungen, sondern waren auch geeignet, den Ruf des Arbeitgebers erheblich zu beschädigen. Eine Kontaktaufnahme mit den Autoren war nicht möglich – die Bewertungen wurden anonym abgegeben.
Das Unternehmen richtete seinen Auskunftsanspruch gemäß § 21 Abs. 2, 3 TDDDG zunächst an Kununu, um Namen und Anschrift der Verfasser der betreffenden Bewertungen zu erhalten. Kununu teilte im Rahmen der Auskunft jedoch lediglich GMail-Adressen der Nutzer mit. Daraufhin beantragte das Unternehmen ergänzende Auskunft bei Google. Google verweigerte die Auskunftserteilung mit der Begründung, es falle bereits nicht unter den Begriff des „digitalen Dienstes“ im Sinne des § 2 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 2 TDDDG. Zudem sei GMail nicht zur Verbreitung der streitgegenständlichen Inhalte genutzt worden, weshalb ein Auskunftsanspruch nach § 21 TDDDG ausscheide. Vielmehr handele es sich bei GMail lediglich um einen interpersonellen Telekommunikationsdienst im Sinne des § 3 Nr. 61 lit. b) i.V.m. § 3 Nr. 24 TKG. Etwaige Auskunftsansprüche könnten daher ausschließlich auf § 174 TKG gestützt werden und stünden nur Behörden zu.
Die Entscheidung: Kein Schutz für rechtswidrige Inhalte
Das LG München I bestätigte in dem Beschluss vom 19.02.2025 (Az. 25 O 9210/24) zunächst wiederholend einen Auskunftsanspruch des betroffenen Unternehmens gegenüber der Plattformbetreiberin Kununu. Dabei stellte es fest, dass die Bewertungen rechtsverletzend seien und eine Identifizierung der Urheber notwendig sei, um Unterlassungs- oder Schadensersatzansprüche prüfen und ggf. durchsetzen zu können.
Das Gericht verneinte weitergehend die Annahme von Google kein „digitaler Dienst“ im Sinne des § 2 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 2 TDDDG zu sein. Der Auskunftsanspruch nach § 21 TDDDG ist zudem vielmehr als eigenständige zivilrechtliche Anspruchsgrundlage zu verstehen , die neben den behördlichen Auskunftsansprüchen nach dem TKG besteht.
Das Gericht stellte auch klar, dass sich der Auskunftsanspruch auch auf sogenannte „Kettenauskünfte“ erstrecken kann – also auf die Weitergabe von Informationen über Drittunternehmen (z. B. Hostingprovider), wenn diese im Besitz der tatsächlichen Nutzerdaten sind. Maßgeblich ist die konkrete Funktion der gespeicherten Daten, wie hier die E-Mail-Adresse, bei der Registrierung und Authentifizierung auf der Bewertungsplattform. Würde man den Auskunftsanspruch auf Nutzerdaten mit reinem Plattformbezug beschränken, so würde der Anspruch nach § 21 TDDDG weitgehend leerlaufen. Für eine effektive Rechtsverfolgung müsse es möglich sein, die Datenkette weiter zurückzuverfolgen – insbesondere dann, wenn die ursprüngliche Plattform nur Pseudonyme oder unvollständige Angaben speichert. Es müsse also jede Stufe der digitalen Kommunikationskette erfassen werden können.
Meinungsfreiheit versus Unternehmensschutz
Die Entscheidung des LG München I ist ein weiterer Hinweis darauf, dass anonyme Internetäußerungen nicht per se schützenswert sind. Zwar ist die Meinungsfreiheit auch im Arbeitsverhältnis ein hohes Gut – doch dort, wo Tatsachen behauptet, Persönlichkeitsrechte verletzt oder bewusst falsche Eindrücke erzeugt werden, endet dieser Schutz.
Unternehmen müssen sich nicht mit jeder Kritik abfinden – besonders dann nicht, wenn sie anonym, unsachlich und potenziell rufschädigend erfolgt. Das Urteil stärkt deshalb den Rechtsrahmen für Unternehmen, sich gegen unfaire Bewertungen zu wehren.
Fazit: Plattformbetreiber zunehmend in der Pflicht
Das Urteil des LG München I reiht sich in eine wachsende Zahl gerichtlicher Entscheidungen ein, die Plattformbetreiber stärker in die Verantwortung nehmen. Für Kununu und ähnliche Bewertungsplattformen bedeutet das: Sie können künftig häufiger in die Pflicht genommen werden, wenn sich Unternehmen gegen rufschädigende Inhalte zur Wehr setzen. Gleichzeitig zeigt der Fall, dass juristische Mittel bestehen, um sich gegen ungerechtfertigte Kritik zu wehren – selbst im vermeintlich geschützten Raum anonymer Internetäußerung.
Foto von Solen Feyissa auf Unsplash
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