In einem aktuellen Urteil hat der EuGH klargestellt, dass gesundheitsbezogene Werbeaussagen zu pflanzlichen Inhaltsstoffen in Nahrungsergänzungsmitteln – sog. Botanicals – grundsätzlich unzulässig sind, solange keine Prüfung und Zulassung der betreffenden Angaben durch die Europäische Kommission erfolgt ist. Das Urteil hat weitreichende Folgen für Hersteller und Vertreiber entsprechender Produkte innerhalb der Europäischen Union.

Botanicals und das Werbeversprechen

Botanicals sind pflanzliche Stoffe – etwa Kräuter, Extrakte oder Konzentrate –, die Lebensmitteln, insbesondere Nahrungsergänzungsmitteln, zugesetzt werden. Sie werden häufig mit Wirkversprechen wie „beruhigend“, „stressmindernd“ oder „stärkend“ beworben. Das Problem: Diese Aussagen sind in vielen Fällen gesundheitsbezogen und unterliegen damit den strengen Regeln der Health-Claims-Verordnung (HCVO, Verordnung (EG) Nr. 1924/2006).

Im Ausgangsfall hatte die Hamburger Firma Novel Nutriology, die ein Nahrungsergänzungsmittel mit Aussagen zu Safran- und Melonensaft-Extrakten beworben hatte. Diese sollten angeblich stimmungsaufhellend wirken und Stress sowie Erschöpfung reduzieren. Verbraucherschützer sahen darin eine unzulässige gesundheitsbezogene Angabe – der Fall landete schließlich vor dem Bundesgerichtshof und wurde dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Das EuGH-Urteil

In seinem Urteil vom 30. April 2025 (C-386/23) stellte der EuGH klar: Solange gesundheitsbezogene Angaben zu Botanicals nicht wissenschaftlich bewertet und nicht in die Positivlisten der Artikel 13 oder 14 HCVO aufgenommen wurden, dürfen solche Aussagen nicht gemacht werden. Auch unspezifische gesundheitsbezogene Aussagen (z.?B. „gut für die Gesundheit“) sind nur erlaubt, wenn sie mit einem bereits zugelassenen spezifischen Claim kombiniert werden.

Der EuGH betonte, dass selbst die jahrelange Untätigkeit der EU-Kommission in Bezug auf die Prüfung von Botanicals keine Ausnahme rechtfertige. Die Anforderungen der HCVO gelten weiterhin – sie dienen dem Verbraucherschutz und sollen sicherstellen, dass gesundheitsbezogene Werbeaussagen nur auf solider wissenschaftlicher Basis erfolgen.

„On hold“-Claims nur unter engen Voraussetzungen zulässig

Eine wichtige Ausnahme stellen die sogenannten „on hold“-Claims dar. Hierbei handelt es sich um gesundheitsbezogene Angaben, die vor dem 19. Januar 2008 rechtzeitig zur Prüfung eingereicht, aber bis heute nicht abschließend bewertet wurden. Bislang war umstritten, ob diese Claims trotz fehlender Entscheidung verwendet werden dürfen.

Der EuGH bestätigte nun: Ein „on hold“-Claim kann in Verbindung mit einer unspezifischen gesundheitsbezogenen Aussage weiterhin verwendet werden – aber nur dann, wenn:

  • der Antrag vor dem Stichtag (19.01.2008) eingereicht wurde,

  • keine negative Bewertung durch die EFSA vorliegt,

  • die Aussage wissenschaftlich belegbar ist und

  • alle weiteren Vorgaben der HCVO eingehalten werden.

Im vorliegenden Fall war dies nicht erfüllt: Für Melonensaft-Extrakt lag gar kein Antrag vor, für Safran wurde er zu spät gestellt. Entsprechend war auch eine Bezugnahme auf „on hold“-Claims nicht zulässig.

Klare Vorgaben statt Grauzone

Die Entscheidung des EuGH schafft nach Jahren rechtlicher Unsicherheit endlich Klarheit. Zwar war die Verwendung von gesundheitsbezogenen Aussagen zu Botanicals formal nie erlaubt, doch in der Praxis bewegten sich viele Hersteller in einer Grauzone, da die EU-Kommission die wissenschaftliche Bewertung durch die EFSA seit 2010 faktisch eingestellt hatte.

Der EuGH sieht darin jedoch keine unzumutbare Beschränkung der unternehmerischen Freiheit. Hersteller könnten ihre Produkte weiterhin vertreiben – lediglich die Verwendung unzulässiger Gesundheitsversprechen sei untersagt. Die unternehmerische Freiheit müsse hinter dem Schutz der Verbraucher und der öffentlichen Gesundheit zurückstehen.

Fazit: Werbeaussagen zu Botanicals – nur noch mit rechtlicher Absicherung

Der EuGH hat mit seinen Urteilen vom 2024 und 2025 unmissverständlich klargestellt, dass die Zeit der gesundheitsbezogenen Werbefreiheit für pflanzliche Nahrungsergänzungsmittel vorbei ist. Nur wer sorgfältig geprüft, frühzeitig angemeldet und wissenschaftlich belegbar ist, darf künftig noch auf die (vermeintlich) gesundheitsfördernde Wirkung seiner Botanicals hinweisen. Die Anforderungen steigen – zum Schutz der Verbraucher und zur Sicherung der Rechtsklarheit im europäischen Lebensmittelrecht.