Das LG Stuttgart entschied mit Urteil vom 29.05.2013 zur Verantwortlichkeit des Advertisers im Rahmen eines Affiliate-Marketing-Netzwerkes für Spam-Emails eines Publishers und verneinte dessen Haftung. Dies ist insofern interessant, als frühere Urteile anderer Gerichte, auch des BGH, in vergleichbaren Fällen regelmäßig eine verschuldensunabhängige Erfolgshaftung angenommen hatten.
Im vorliegenden Fall des LG Stuttgart hatte eine Privatperson, die von dem Publisher unerwünschte Werbemails erhalten hatte, gegen den Advertiser auf Unterlassung geklagt, da dieser als Störer nach § 1004 BGB für die Rechtsverletzung verantwortlich sei. Das Gericht folgte dieser Argumentation jedoch nicht. Es führte in den Entscheidungsgründen aus:
Ein mittelbarer Störer ist derjenige, der eine Dritthandlung veranlasst oder sie ermöglicht und es unterlässt, die dadurch erkennbar eintretende unmittelbare Störung zu unterbinden.
Und weiter:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, welcher sich die Kammer anschließt, kann als mittelbarer Störer nur in Anspruch genommen werden, wer in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung eines absoluten Rechts beiträgt und insbesondere seiner Prüfpflicht nicht nachkommt.
Hier habe der Advertiser die Versendung von Spam jedenfalls nicht veranlasst. Auch sei diese nicht erkennbar gewesen, insbesondere sei gegen keine Prüfpflicht verstoßen worden.
Während Werbende bei vertraglich vereinbarter Onlinewerbung verpflichtet seien, die Seiten regelmäßig zu öffnen und zu kontrollieren, gelte dieser Grundsatz beim Affiliate-Marketing nur sehr eingeschränkt. Der Advertiser hat dort nur eine geringe Kontrollmöglichkeit, da er seine eigene Werbung mit Hilfe von Suchprogrammen erst einmal suchen müsste. Erst recht könne den Werbenden keine Prüfpflicht mit Hinblick auf Spam-E-Mails treffen, da diese nur an Einzelpersonen gerichtet seien und der Werbende erst Kenntnis hiervon erlangen könne, wenn sich eine betroffene Person an ihn wendet.
Da es sich beim Kläger hier um eine Privatperson handelte und nicht um einen Mitbewerber, wandte das Gericht die Vorschriften des UWG nicht direkt an. Nichts desto trotz ging es auf § 8 Abs. 2 UWG ein und argumentierte, dass selbst wenn man dessen Rechtsgedanken auf § 1004 BGB übertrage, eine Haftung allenfalls dann in Betracht käme, wenn der Advertiser einen finanziellen Anreiz zu dem Rechtsverstoß gegeben hätte. Dann würde sich, wie der BGH es in einer Entscheidung vom 17.08.2011 formuliert hatte, nämlich ein Risiko aus der Sphäre des Advertisers realisieren.
Hierzu das LG Stuttgart im konkreten Fall:
Allein die Beteiligung der Beklagten als Advertiser in einem Affiliate-Marketing-Netzwerk stellt kein Risiko im Sinne dieser Rechtsprechung dar. […] Die Beklagte hier betreibt […] auf einem regulären, seriösen und an sich risikolosen Weg Onlinewerbung.
Das Risiko, dass der Publisher Spam versenden würde, sei für den Advertiser deshalb nicht erkennbar gewesen. Dieser hatte in seinen Bestimmungen E-Mail-Werbung sogar ausdrücklich verboten.
Diese Argumentation ist insofern interessant, als andere Gerichte zuletzt in vergleichbaren Fällen, jedoch bei Anwendbarkeit des Wettbewerbsrechts oder bei Markenverletzungen, zum gegenteiligen Ergebnis gekommen waren.
So hatte der BGH mit Beschluss vom 04.04.2012 entschieden, dass ein Unternehmer nach § 8 Abs. 2 UWG auch dann für Wettbewerbsverstöße von Sub-Unternehmern haftet, wenn er hiervon keine Kenntnis hat. Ein Energieversorger war einen Kooperationsvertrag mit einem anderen Unternehmen eingegangen, welches die telefonische Vermittlung von Kundenverträgen übernehmen sollte. Die Beauftragung von Sub-Unternehmern sollte nur mit Zustimmung des Energieversorgers erlaubt sein.
Der Kooperationspartner hielt sich hieran jedoch nicht und beauftragte einen Sub-Unternehmer, obwohl keine Einwilligung vorlag. Dieser beging in der Folge verschiedene Wettbewerbsverstöße. Der BGH bejahte die Haftung des Unternehmers und begründete:
Für die Haftung nach § 8 Abs. 2 UWG ist es unerheblich, wie die Beteiligten ihre Rechtsbeziehungen ausgestaltet haben, ob der Beauftragte gegen den Willen des Unternehmensinhabers seine vertraglichen Befugnisse überschritten hat oder ob der Beauftragte ohne Wissen oder sogar gegen den Willen des Unternehmensinhabers gehandelt hat.
Es handele es sich vielmehr um eine Erfolgshaftung ohne jede Entlastungsmöglichkeit. Etwas anderes wäre nur dann der Fall, wenn sich der Auftrag auf einen bestimmten Geschäftsbereich begrenzt hätte.
Das OLG Köln hatte mit Urteil vom 08.10.2010, auf welches das LG Stuttgart vorliegend Bezug nimmt, ebenfalls eine verschuldensunabhängige Erfolgshaftung angenommen. Der Unternehmensträger hafte für wettbewerbswidriges Verhalten selbständiger Werbepartner,
wenn diese so in die betriebliche Organisation eingegliedert sind, dass der Erfolg ihrer Geschäftstätigkeit ihm zu Gute kommt und er entweder einen bestimmenden, durchsetzbaren Einfluss auf die Tätigkeit der Partner hat, in deren Bereich das beanstandete Verhalten fällt, oder er sich einen solchen Einfluss sichern konnte und musste.
Damit folgte das OLG Köln der Rechtsprechung des BGH aus dessen Urteil vom 07.10.2009, über welches wir bereits berichteten und welches eine Markenverletzung durch einen Publisher im Rahmen von Affiliate-Marketing zum Gegenstand hatte. Das LG Stuttgart führte jedoch aus, dass eine Eingliederung in die betriebliche Organisation, insbesondere ein durchsetzbarer Einfluss auf die Tätigkeit des Publishers hier gerade nicht vorliege.
Die Argumentation der Stuttgarter Richter mag in Anbetracht der erwähnten Vorentscheidungen zunächst irritieren. Wenn man sich jedoch die Schutzbereiche der verschiedenen Gesetze vor Augen führt – in den anderen Entscheidungen waren die Störerbegriffe der § 8 Abs. 2 UWG bzw. § 14 Abs. 7 MarkenG entscheidend – wird möglicherweise deutlich, welche Gedanken das Gericht im Einzelfall zu einer Einschränkung der Haftung des mittelbaren Störers im Rahmen des § 1004 BGB bewegt haben könnten.
Wenn ein Marktteilnehmer durch unlautere Handlungen Dritter einen Wettbewerbsvorteil erlangt, bewirkt dies regelmäßig einen Nachteil für seine Mitbewerber. Ein Vorgehen nur gegen den Dritten reicht aus Sicht der Mitbewerber dann nicht aus, da so der Wettbewerbsnachteil bestehen bliebe und möglicherweise weitere Wettbewerbsverstöße zu Gunsten des Konkurrenten begangen würden. Die Marktteilnehmer haben ein Interesse daran, generell vor unlauterem Verhalten zum Vorteil des Mitbewerbers geschützt zu werden. Der selbe Gedanke gilt für Markeninhaber. Diese sollen verhindern können, dass sich ein Anderer durch Benutzung ihres Zeichens (eben auch durch Dritte) bereichert, während sie selbst – beispielsweise aufgrund von Verwässerung der Marke – Nachteile erleiden. Mit anderen Worten: Berechtigte sollen davor geschützt werden, dass Andere sich einerseits auf ihre Kosten bereichern und sich andererseits durch die Beauftragung Dritter dabei einer Haftung entziehen.
Vorliegend war „nur“ das Persönlichkeitsrecht eines Einzelnen betroffen. Dieser ist aber auch ohne einen Anspruch gegen den Advertiser ausreichend geschützt, da ihm, wie das LG Stuttgart auch ausführt, die relativ einfache Möglichkeit bleibt, sich an den unmittelbaren Störer zu halten. Eine darüber hinausgehende Bereicherung des Advertisers zu Lasten des E-Mail-Empfängers besteht hingegen nicht.
Die Rechtsprechung im Bereich des Affiliate-Marketing bleibt also in Bewegung. Es gilt abzuwarten, ob sich andere Gerichte der Ansicht des LG Stuttgart anschließen werden. Mehr zu diesem Thema finden Sie in unseren weiteren Beiträgen zur Affiliate-Haftung.
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