Zwei kürzlich ergangene Entscheidungen zur wettbewerbsrechtlichen Haftung von Amazon-Marketplace-Händlern für Wettbewerbsverstöße von Amazon machen deutlich, dass sich die deutsche Justiz mit dem neumodischen Internet immer noch schwer tut. Und dass Online-Händler im Marketplace einem höheren Abmahnrisiko ausgesetzt sind als Online-Shops.

Das OLG Köln hat entschieden  (Beschluss vom 23.09.2014, Az.: 6 U 115/14), dass Marketplace Händler für Wettbewerbsverstösse von Amazon haften. Das LG Arnsberg hat fast zeitgleich entschieden (Urteil vom 30.10.2014, I-8 O 121/14), dass Marketplace-Händler für Wettbewerbsverstösse von Amazon nicht haften. Klingt ein wenig kurios. Ist es auch. Vor allem, wenn man berücksichtigt, dass die beiden Gerichte nur 134 km voneinander entfernt liegen.

Jetzt kann man sich als Jurist sicher hinstellen und beide Entscheidungen im Detail lesen, die dogmatischen Begründungen nachvollziehen und zu dem Schluss kommen, dass beide Urteile richtig sind. So kommt Köln zu dem dogamtisch sauber begründeten Ergebnis, dass ein Marketplace-Händler kein Diensteanbieter i. S. d. § 3 Abs 1 Nr 1 TMG ist und sich folgerichtig nicht auf das Haftungsprivileg der §§ 8 ff TMG berufen kann. Das LG Arnsberg hingegen vertritt die Auffassung, dass der Marketplace Händler schon kein Störer ist, da er in keiner Weise an Handlungen von Amazon (hier Tell-a-Friend-E-Mails) mitwirkt und diese auch nicht verhindern kann.

Das OLG Köln sagt also, mitgegangen, mitgefangen, mitgehangen. Das LG Arnsberg findet eher, dass jeder nur für sein eigenes Tun bestraft werden sollte. Zwei Auffassungen, die in der hier geltenden römisch-germanisch-christlich-aufklärerischen Rechtskultur durchaus nebeneinander ihre Berechtigung haben. Also, wie wir so schön sagen, beide Ergebnisse juristisch vertretbar.

Nur, einem juristisch nicht geschulten Online-Händler wird dies schwer zu erläutern sein. Und noch weniger wird es ihm helfen, das Risiko seiner gewerblichen Tätigkeit einzuschätzen. Und ehrlicherweise sollte es uns Juristen auch zu denken geben. Tatsächlich dürften die beiden unterschiedlichen Urteile nur dadurch zu erklären sein, dass in beiden Gerichten Menschen urteilen, die ein unterschiedliches Wissen und/ oder Verständnis von Amazon und dem Geschäftsmodell Marketplace haben dürften. Der eine Richter könnte sich gedacht haben, selbst schuld, wenn man unbedingt einen Marketplace Shop bei Amazon betreiben will. Der andere Richter könnte sich gedacht haben, oh Mann, der arme Tropf, den muss ich jetzt nicht auch noch dafür bestrafen, dafür dass er Amazon ausgeliefert ist, zumal Amazon sich wenig um deutsches Recht schert. Ein Händler hat deswegen Schwein gehabt, der andere Händler zieht den scharzen Peter. Für alle anderen Händler gilt: ???

Klar kann man sagen, Unabhängikeit der Richter, fliegender Gerichtsstand, Rechtsfortbildung etc etc etc. Klar kann man sagen, der BGH wird’s schon richten – in ca. zwei bis drei Jahren. Für tausende Online-Händler, die heute einen Marketplace-Shop betreiben (müssen), dürfte das wenig tröstlich sein.