Mit Urteil vom 22.03.2018 klärte das Landgericht Frankfurt am Main die Frage, ob für das Versenden von Gutscheinen per Mail eine Einwilligung des Empfängers vorliegen muss oder Gutscheine keine Werbung i. S. d. UWG sind. In diesem Verfahren gab das LG dem Kläger Recht und verurteilte den Beklagten, es zu unterlassen, zukünftig Gutscheine per Mail ohne vorherige Zustimmung des Empfängers an diesen zu senden (LG Frankfurt a.M., Urteil vom 22.3.2018, Az. 2-03 O 372/17).
(Der folgende Gastbeitrag wurde von unserem Praktikant Anselm Wesner verfasst, welcher im 3. Semester Rechtswissenschaften in München studiert.)
Folgender Sachverhalt lag zugrunde: Ein Wettbewerbsverein hatte die Betreiberin eines Online-Shops verklagt, da diese per E-Mail mit einem Gutschein für Ihren Online-Shop warb. Die Problematik war, dass die Betreiberin des Onlineshops keine Einwilligung zur Versendung von Gutscheinen per Mail bei Ihren Kunden eingeholt hatte.
Grundsätzlich ist das Zusenden von Werbung nur mit ausdrücklicher Einwilligung des Empfängers erlaubt. Mit dem Begriff der Einwilligung hatte sich wenige Tage vor der Entscheidung des LG Frankfurts bereits der BGH beschäftigt und eine, mit den europäischen Vorgaben zu vereinbarende, Definition gefunden (BGH Urteil vom 14.03.2017, Az. VI ZR 721/15).
Der Begriff der “Einwilligung” ist deshalb richtlinienkonform zu bestimmen.
Art. 2 Abs. 2 Buchst. f der Richtlinie verweist für die Definition der Einwilligung auf Art. 2 Buchst. h der Richtlinie 95/46 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr.
Eine Einwilligung ist “jede Willensbekundung, die ohne Zwang für den konkreten Fall und in Kenntnis der Sachlage erfolgt.
Weiterhin ist nach Ansicht des BGH erforderlich, dass bereits zum Zeitpunkt der Einwilligung klar ist, welche Produkte später beworben werden.
Die Einwilligung erfolgt für den konkreten Fall, wenn klar ist, welche Produkte oder Dienstleistungen welcher Unternehmen sie konkret erfasst. […]
Auch ist es nicht ausreichend, wenn die späteren Produkte zu ungenau aufgelistet werden. So reicht es beispielsweise nicht aus, wenn in der Einwilligung angegeben wird später Werbung für „Wohnen & Leben“ zu versenden (OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.04.2012, Az. I-20 U 128/11). Eine angemessen genaue Auflistung wäre beispielsweise, wenn ein Onlineshop, der Schuhe verkauft, angibt Werbung für Schuhe zu versenden.
Im Fall des LG Frankfurts war aber gar keine Einwilligung durch den E-Mail-Empfänger erfolgt. Der Beklagte vertrat die Ansicht, dass diese auch nicht nötig sei und argumentierte zunächst, dass es sich bei der Gutscheinversendung schon gar nicht um Werbung handle, weswegen § 7 UWG nicht anzuwenden sei.
Dies nahm das LG Frankfurt zur Gelegenheit um den Begriff der Werbung für diesen Fall zu definieren.
Bei Werbung handle es sich um sämtliche absatzfördernden Maßnahmen, egal ob die Werbung mittelbar oder unmittelbar produktbezogen ist.
Der Begriff der Werbung umfasst nach dem allgemeinen Sprachgebrauch alle Maßnahmen eines Unternehmens, die auf die Förderung des Absatzes seiner Produkte oder Dienstleistungen gerichtet sind.
Damit ist außer der unmittelbar produktbezogenen Werbung auch die mittelbare Absatzförderung gemeint.
Werbung ist deshalb in Übereinstimmung mit Art. 2 lit. a der Werbe-Richtlinie 2006/113/EG über irreführende und vergleichende Werbung jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerkes oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern.
Die Definition ist weit und nicht auf die Formen klassischer Werbung beschränkt.
Nach dieser Definition ist das Zusenden eines Gutscheins in jedem Fall als Werbung zu verstehen, da das Ziel einer Gutscheinzusendung stets die Absatzförderung ist.
Der Gutschein wird nie übersandt, da es sich bei dem Versender um einen philanthropischen Menschen handelt, sondern viel mehr, da der Versender hofft, durch den Gutscheine bestehende Kunden langfristig an die Verkaufsstelle zu binden, oder neue Kunden hinzuzugewinnen. Wenn man außerdem die Begriffe „Werbung_Gutschein“ googelt erhält man mehrere Seiten die Ihre Angebote präsentieren, wie durch Gutscheinzusendung der ideale Werbeeffekt erzielt werden kann.
Weiterhin greift nach Ansicht des Gerichts für diesen Fall die Ausnahmeregelung des § 7 Abs. 3 UWG nicht. Nach diesem ist die Einwilligung für die elektronische Werbung nicht erforderlich, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
- Der Versender muss die elektronische Postadresse des Empfängers im Rahmen eines Waren- oder Dienstleistungsverkaufs erhalten haben
- Der Versender muss die Adresse zur Direktwerbung für eigene oder ähnliche Waren und Dienstleistungen verwenden
- Der Empfänger darf der Verwendung der Daten nicht widersprechen haben
- Der Empfänger muss bei der Erhebung der Adresse klar und deutlich darauf hingewiesen worden sein, dass er der Verwendung jederzeit widersprechen kann.
Diese Voraussetzungen müssen, nach dem Wortlaut des § 7 Abs. 3 UWG, kumulativ vorliegen (Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG Kommentar, § 7 Rn. 203).
Das Gericht sah zwar die meisten Voraussetzung als gegeben an, verneinte aber schließlich das Vorliegen von Werbung für „eigene oder ähnliche Waren“.
Mit seinem Gutschein hatte der Beklagte auf seinen Onlineshop aufmerksam gemacht und warb für sein Sortiment von 150.000 Artikeln, aus denen der Empfänger nach „seinen Wünschen auswählen könne“.
Der hiermit beworbene Inhalt umfasst somit den ganzen Shop und geht weit über den vom Empfänger gekauften Artikel hinaus, bei dem es sich um einen Stuhl handelte. Die Werbung ist nach Ansicht des Gerichts deutlich zu unbestimmt. Auch um von ähnlichen oder verwandten Kategorien oder Zubehör zu sprechen ist das umfassende Werben zu weit. Somit ist die Ausnahmeregelung § 7 Abs. 3 UWG nicht anwendbar.
Das Gericht folgte auch nicht den Ausführungen der Beklagten, wonach § 7 Abs. 3 Nr. 2 UWG erweitert ausgelegt werden müsse, da der Empfänger durch das Zusenden eines Gutscheins weniger belästigt würde. Vielmehr sei der Anwendungsbereich von § 7 Abs. 3 UWG aufgrund seines Schutzzwecks in Gestalt eines per-se-Verbots sehr eng auszulegen (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG Kommentar, § 7 Rn. 202).
Das Gericht hält weiterführend recht deutlich fest:
In der gebotenen, engen Auslegung der Norm als Ausnahmetatbestand verbietet sich ein Erst-Recht-Schluss von der zulässigen Bewerbung konkreter Produkte auf die Bewerbung von Vergünstigungen beim Kauf von Produkten generell, da die Norm unter Missachtung des begrenzenden Kriteriums der Ähnlichkeit sonst keinen Anwendungsbereich mehr hätte.
Das LG Frankfurt sprach somit dem Kläger Recht zu und verurteilte die Beklagte zur Unterlassung weiterer Werbung in Form von Gutscheinen.
In Zeiten der DSGVO und des deutlich stärker werdenden Datenschutzes im Internet wird richtig zu werben immer schwieriger. Der Werbebegriff ist sehr schnell erfüllt, was dazu führt, dass immer häufiger die Opt-In-Variante benötigt wird, um das Einverständnis des Werbeempfängers einzuholen.
Selbst die Bitte der Service-Bewertung per Mail stellt Werbung dar (AG Düsseldorf, Urteil vom 27.10.2014, Az. 20 C 6875/14), da auch hierbei mittelbar Werbung für den Versender gemacht wird, da heutzutage positive Internetrezensionen für viele Menschen ein Hauptargument für die Produkt- oder Dienstleistungsauswahl sind.
Das Gutscheine Werbung sind ist unstrittig und wurde oben bereits dargelegt.
§ 7 Abs. 3 UWG hat in jeder Weise seine Daseinsberechtigung, ist aber in der vorliegenden Konstellation wenig hilfreich. Aufgrund der Unähnlichkeit der beworbenen Produkte oder dem fehlenden Hinweis, dass Werbung verschickt werden wird, ist der § 7 Abs. 3 UWG in dieser Konstellation selten anwendbar.
Durch die DSGVO ist gerade die Empfänger-Abmahnung wieder deutlich interessanter geworden, weswegen es sich momentan empfiehlt, für Werbemaßnahmen immer eine Einwilligung im Sinne des Double-opt-In-Verfahrens einzuholen, um unnötige Abmahnungen oder sogar gerichtliche Verfahren zu vermeiden.
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