Immer wenn es um die wirklich wichtigen Fragen des Internets geht, tritt Deutschland bzw. die deutsche Politik als ganz besonderer Diskussionspartner in Erscheinung. Deutsche Beiträge in Form von politischer Sommerloch-Plauderei oder Gesetzgebungsvorstössen zeichnen sich meistens aus durch

  • Verspätung (siehe beispielsweise die Diskussion zu Google Streetview)
  • technische und sachliche Unkenntnis (siehe beispielsweise die Diskussion zu Netzsperren)
  • Widersprüchlichkeit (siehe beispielsweise die Diskussion zur Vorratsdatenspeicherung)
  • Lobbyhörigkeit (siehe beispielsweise Reformen von Datenschutz und Urheberrechten)

Bei der Diskussion zum neuesten Thema zeichnet sich der deutsche Beitrag durch sämtliche dieser Mermale aus. Alleine aus diesem Grund ist die Verfolgung der Diskussion zu den nymwars ausgesprochen kurzweilig. Kurz gesagt geht es um die Frage, ob es zukünftig noch erlaubt sein soll, Internetdienste unter Pseudonymen, sprich anonym, zu nutzen. Für den deutschen Beitrag hat sich besonders hervorgetan der neue deutsche Innenminister Friedrich:

Die Grundsätze der Rechtsordnung „müssen auch im Netz gelten“, Blogger sollten „mit offenem Visier“ argumentieren.

Jetzt ist der Aufhänger für  Herrn Friedrichs Forderung natürlich ein sehr ernster.  Dies ändert nichts daran, dass seine Forderung schon sehr plakativ und wenig reflekiert daher kommt. Was soll das heissen? Dass die Grundsätze der Rechtsordnung im Netz bislang  nicht gelten? Dass die Rechte auf Meinungsfreiheit und und informationelle Selbstbestimmung keine Grundsätze der Rechtsordnung darstellen?

Die Internetforscherin Danah Boyd  (mit weiteren Links zur Diskussion) hält nichts vom Zwang zu offiziellen Namen.

Man garantiert keine Sicherheit, indem man Menschen davon abhält, Pseudonyme zu benutzen. Aber man schränkt die Sicherheit von Menschen ein, wenn man es tut.

Nachher will der Innenminister das dann doch so nicht gemeint haben.

Die Möglichkeit, sich anonym oder unter Pseudonym zu äußern, gehört seit dem Bestehen des Internet zu dessen Grundeigenschaften. … Für viele Menschen geht es um viel mehr als nur um lustige Namen. Es geht um Trennung von Beruf und Familie, um Privatsphäre – und für einige geht es sogar um Leben und Tod.

Zitat aus stern.de: Was ein Klarnamenzwang bedeuten würde

Passend dazu Caterina Fake, Mitgründerin von Flickr (Name kein Pseudonym):

Nur weil sich Forentrolle, Hassprediger oder andere asoziale Kreaturen in der Anonymität des Internet verstecken, dürften Künstlernamen und Schutz-Pseudonyme nicht zur Debatte gestellt werden. Zumal die beiden letztgenannten Kategorien, schreibt Fake weiter, die Mehrheit ausmachten.

Wer die Diskussion verfolgt, erkennt schnell, dass der deutsche Beitrag zur Diskussion (mal wieder) völlig unreflektiert und fehl am Platz ist. Dies musste auch der Urheber des Beitrags nach kurzer Bedenkzeit und im Angesicht des Entrüstungssturms der Netzgemeinde schnell erkennen und seine Äusserungen relativieren. Trotzdem darf Deutschland den Pokal für die bedeutungslosesten Beiträge zur Entwicklung des Internets behalten.