In einem aktuellen Urteil entschied das LG Leipzig zugunsten von Sony, dass die Zugangsverschaffung zu einer Domain mit urheberrechtsverletzenden Inhalten durch einen DNS-Resolver-Dienst eine öffentliche Zugänglichmachung im Sinne des Urheberrechts darstellt. Dieses Urteil stößt jedoch in den Fachkreisen bei vielen auf Unverständnis und Kritik.

Was ist ein DNS-Resolver-Dienst?

Ein DNS-Resolver-Dienst wandelt auf Anfrage einen Domainnamen in eine IP-Adresse um. Die Domäne wird damit in eine IP-Adresse „aufgelöst“, daher die Bezeichnung „Resolver“. Diese Zuordnung der Domainnamen zu IP-Adressen ermöglicht den Datentransfer auf Server der Domäne. Der DNS-Resolver-Dienst gleicht somit einem Telefonbuch für das Internet.

Was ist passiert?

Laut Sony soll Quad9 den Zugriff auf eine Internetseite ermöglicht haben, auf welcher Musik- und Hörspielalben fast ausschließlich ohne Zustimmung der Berechtigten zum Download angeboten wurden. Laut einer Untersuchung soll sich die Anzahl der nicht autorisierten Veröffentlichungen zum Zeitpunkt des 01.2021 auf knapp 50.000 belaufen haben. Darunter war auch ein Album zu finden, an welchem Sony die Rechte als Tonträgerhersteller hatte. Das Problem: das Album war schon vor der offiziellen Veröffentlichung auf der Internetseite hochgeladen worden. Als Tonträgerhersteller hat Sony gem. § 85 Abs. 1 UrhG das ausschließliche Recht den Tonträger zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich zugänglich zu machen. Sony wies Quad9 daraufhin in einem Schreiben unter Bezeichnung der URL auf die Rechtsverletzung hin. Als Quad9 nicht reagierte, erwirkte Sony im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens vor dem LG Hamburg (Az. 310 O 99/21) einen Beschluss, aufgrund dessen Quad9 eine DNS-Sperre einleiten sollte. Dagegen ging Quad9 vor.

Die einstweilige Verfügung wurde in dem Hauptsachverfahren vor dem LG Leipzig nun allerdings bestätigt. Darin wandte Sony sich an Quad9 nicht nur als Störer, sondern insbesondere als Täter. Eine Unterbindung der Rechtsverletzung im Rahmen der primären Haftungspflichten der Domain sei wegen des Fehlens eines Impressums und jeglicher Kontaktdaten erfolglos. Sony gelang es auch nicht eine Löschungsaufforderung an den Host-Provider zuzustellen. Die Adresse der verantwortlichen Firma soll sich in einem Hochsicherheitstrakt in Litauen befinden.

Das LG Leipzig lehnt in seinem Urteil (Urt. v. 01.03.2023, Az.: 05 O 807/22) eine Privilegierung des DNS-Resolvers nach § 8 TMG ab, mit der Begründung, dass dieser nicht unter die Definition des Diensteanbieters im Sinne des § 2 Nr. 1 TMG fällt. Der DNS-Resolver vermittelt laut Gericht weder Zugang zu einem Netz noch leitet er Informationen weiter, sodass der Privilegierungstatbestand hier nicht greift.

Vielmehr sieht das LG Leipzig Quad9 als Täter gemäß §§ 97 Abs. 1, 1519a85 UrhG und begründet es wie folgt:

Die Beklagte haftet als Täterin, weil sie Internetnutzern ihren DNS-Resolver zur Verfügung stellt und darüber auf die Seiten des Dienstes c…to mit den rechtsverletzenden Downloadangeboten betreffend das streitgegenständliche Musikalbum verwiesen wird. […] Mit dem DNS-Resolver wird denjenigen Nutzern, die den Resolver der Beklagten verwenden, erst ermöglicht, einen Domainnamen in eine numerische IP-Adresse aufzulösen und die hier streitgegenständliche Seite aufzufinden, worin eine zentrale Rolle bei der Rechtsverletzung zu sehen ist. […] Damit umfasste auch vorliegend die durch den Hinweis der Klägerin ausgelöste Prüfungspflicht sowohl die Pflicht zur unverzüglichen Verhinderung des Zugangs zum konkret beanstandeten Angebot und zu weiteren, im Zeitpunkt der Beanstandung bereits vorhandenen gleichartigen rechtsverletzenden Inhalten als auch die Pflicht zur Vorsorge, dass es künftig nicht zu weiteren gleichartigen Rechtsverletzungen kommt.

Quad9 will gegen dieses Urteil in der nächsten Instanz vor dem Oberlandesgericht Dresden in Berufung gehen.

Kritik:

Das Problematische an dem Urteil ist, dass vorliegend ein neutraler Infrastrukturdienst, welcher den Nutzern lediglich den Zugriff auf Seiten ermöglicht und daher selbst überhaupt keine Kenntnis von den Inhalten hat, als Täter haften soll. Damit würden DNS-Dienste einer strengeren Haftung unterfallen als soziale Netzwerke nach Art. 17 EU-Urheberrechtsrichtlinie. Darüber hinaus widerspricht das Urteil der Zielsetzung des Digital Service Acts, welcher im Erwägungsgrund 28  explizit von einer Privilegierung unter anderen von DNS-Resolver-Diensten spricht:

In dieser Hinsicht sollte daran erinnert werden, dass Anbieter von Diensten zur Bereitstellung und Vereinfachung der zugrunde liegenden logischen Architektur und des reibungslosen Funktionierens des Internets, einschließlich technischer Hilfsfunktionen, ebenfalls die in dieser Verordnung festgelegten Haftungsausschlüsse in Anspruch nehmen können, sofern ihre Dienste als „reine Durchleitung“, „Caching“-Leistung oder „Hosting“-Dienst einzuordnen sind. Zu solchen Diensten gehören u. a. […], DNS-Dienste, […].

 

 

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