Die rasante Entwicklung von künstlicher Intelligenz (KI) ist auch im juristischen Bereich nicht aufzuhalten. Eine besonders vielversprechende Anwendung ist ChatGPT, ein großer Sprach- und Textgenerator, der von OpenAI entwickelt wurde. An der Universität von Minnesota, USA, hat die KI sogar schon das juristische Staatsexamen bestanden. Doch wie genau funktioniert ChatGPT und welche Herausforderungen gibt es bei der Anwendung in der Rechtswissenschaft? Wie kann ChatGPT genutzt werden, um die Arbeit von Anwältinnen und Anwälten zu erleichtern? Und kann es sogar eigenständig rechtliche Probleme lösen?

Funktionsweise von ChatGPT

ChatGPT basiert auf der sogenannten Transformer-Technologie. Hierbei handelt es sich um eine Methode des maschinellen Lernens, bei der ein Modell auf Basis von unstrukturierten Textdaten trainiert wird. Das Modell kann anschließend genutzt werden, um Texte zu verstehen und zu generieren. ChatGPT wurde auf der Grundlage von Milliarden von Textfragmenten trainiert, was ihm ein tiefes Verständnis der Struktur und des Inhalts von Sprache verleiht.

Anwendungen von ChatGPT im juristischen Kontext

Um die zuvor aufgeworfenen Fragen zu klären, haben wir ChatGPT selbst zu seinen Funktionen befragt. Im Folgenden werden zunächst die Antworten der KI dargestellt und anschließend anhand eigener Erfahrungen kritisch beurteilt.

Eine Anwendung von ChatGPT im Recht ist die Unterstützung von Anwältinnen und Anwälten bei der Recherche. ChatGPT kann innerhalb von Sekunden umfassende Recherchen durchführen, indem es Datenbanken und juristische Texte analysiert und auf dieser Grundlage relevante Informationen zur Verfügung stellt. ChatGPT kann auch dabei helfen, Rechtsfragen zu beantworten, indem es aufgrund seiner Kenntnisse im Bereich des Rechts juristische Schlussfolgerungen zieht.

Noch vor wenigen Wochen hat ChatGPT auf die Frage, ob es ein Urteil zusammen fassen könnte, welches wir ihm per Link von www.openjur.de zur Verfügung gestellt haben  folgendes geantwortet:

Ich bin ein Text-basierter KI-Modell und habe keine Zugriffsmöglichkeit auf eine bestimmte URL. Kann ich Ihnen bei etwas anderem weiterhelfen?

Nur einige Wochen später konnte es das Urteil unter Angabe des Links in einigen wenigen Sätzen zusammenfassen.

ChatGPT hat dabei nur Zugriff auf frei zugängliche Datenbanken. Somit sind insbesondere Datenbanken wie Beck.online oder juris für die KI nicht zugänglich. Der Nutzer kann das Programm aber selbst mit Texten speisen, die zusammengefasst werden sollen. Diese sollten nicht mehr als 2.000 Wörter umfassen, da ChatGPT bei zu langen Texten eine Fehlermeldung anzeigt.

Nach eigener Erfahrung hilft das Programm oft einen Überblick über ein juristisches Thema zu bekommen. Jedoch hat es bei unserer Recherche wiederholt Schwerpunkte falsch gesetzt und somit das eigentliche Thema zu oberflächlich erfasst. Eine „menschliche“ Überprüfung der Ausgangstexte ist also nach wie vor vonnöten, wenn man eine qualitativ hochwertige Zusammenfassung erlangen möchte.

Ein weiteres Anwendungsgebiet von ChatGPT ist die Erstellung von Rechtsdokumenten wie Verträgen oder Urteilen. ChatGPT kann aufgrund seines Verständnisses der Struktur von Sprache automatisch strukturierte Texte generieren, die den Anforderungen von Verträgen oder Urteilen entsprechen. Dies kann die Arbeit von Anwältinnen und Anwälten beschleunigen und gleichzeitig die Fehlerquote reduzieren.

Auf unsere Bitte hin, eine Abmahnung wegen einer falschen Google Bewertung zu verfassen, hat ChatGPT eine zwar relativ knappe, aber solide Vorlage geliefert. Weist man die KI zusätzlich an, die Ansprüche mit Normen zu belegen, so werden die grundlegenden Anspruchsgrundlagen aufgefunden. Auch ein von ChatGPT erstellter Vertrag macht als Vorlage einen guten Eindruck, jedoch braucht die KI genaue Anweisungen, um den Text nicht laienhaft darzustellen. Bei der Erstellung eines Urteils befolgt ChatGPT die grundlegenden Formalia. In der Auseinandersetzung mit den einzelnen Tatbeständen fällt es der KI hingegen schwer, präzise Argumente zu finden und so eine hinreichende Abwägung sicherzustellen.

Eine der größten Herausforderungen bei der Anwendung von ChatGPT im Recht ist die Sicherstellung der Qualität der generierten Texte. ChatGPT kann aufgrund seiner tiefen Kenntnisse im Bereich der Sprache auch komplexe juristische Probleme lösen. Es besteht jedoch das Risiko, dass ChatGPT fehlerhafte oder unvollständige Schlussfolgerungen zieht, die aufgrund der Komplexität des Rechts schwer zu erkennen sind. Es ist daher wichtig, die Ergebnisse von ChatGPT sorgfältig zu überprüfen und gegebenenfalls von einem Fachexperten validieren zu lassen.

 

Tatsächlich scheint es der KI schwerzufallen, die richtigen Schwerpunkte zu setzen. Oft wirken die Texte repetitiv und daher zu oberflächlich. Durch genaue Anweisungen kann ChatGPT teilweise Fehler ausbessern, wie zum Beispiel aufgestellte Behauptungen durch Gesetze oder weitere Argumente belegen. Weiterhin muss festgehalten werden, dass das Programm lediglich mit Texten bis 2021 gespeist wurde, sodass es weder neuere Gesetze noch aktuelle Rechtsprechung kennt. Fragen zu Rechtsgebieten, welche durch einen stetig dynamischen Wechsel von Vorschriften geprägt sind, können daher für die KI Schwierigkeiten bereiten.

Zusammenfassend kann man sagen, dass das Programm für Anwälte eine gute Möglichkeit darstellt, um Zeit zu sparen. Einfache Aufgaben, wie die Erstellung von Vorlagen für Standardschreiben, können von der KI übernommen werden. Jedoch müssen diese durch einen Anwalt überprüft werden, um die Rechtmäßigkeit der Vorlagen sicherzustellen und mögliche juristische Probleme des Einzelfalls genauer zu behandeln. Keinesfalls sollte ChatGPT anstelle einer anwaltlichen Beratung hinzugezogen werden, da dadurch keine juristisch qualifizierte Auskunft sichergestellt werden kann.

 

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