Nach wie vor erhalten wir massenhaft Schreiben von Mandanten, die Abmahnungen wegen des Einsatzes von Google Fonts erhalten. Den Website-Betreibern wird ein unzulässiger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und einen Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) vorgeworfen. Aber was kann man gegen eine solche Abmahnung tun? Nachstehend sollen Handlungsalternativen und ein denkbares Muster-Antwortschreiben aufgezeigt werden.

Allein von den Kanzleien RAAG in Meerbusch und Rechtsanwalt Kilian Lenard in Berlin erreichten uns zuletzt mehrere solcher Abmahnschreiben (Update dazu siehe unten.). Grundlage für die Abmahnwelle ist ein im Januar 2022 ergangenes Urteil des LG München I (Urteil vom 20.01.2022, Az. 3 O 17493/20), in dem das Gericht dem Kläger einen Schadensersatzanspruch in Höhe von EUR 100,00 gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO zugesprochen hatte (näheres dazu in unseren Blogbeiträgen vom 01.02.2022 und 06.07.2022).

Vorbeugung: Um solche Forderungen zu vermeiden, sollte Google Fonts so eingebunden werden, dass die Schriftart direkt auf dem Server der Website gehostet und nicht von Google geladen wird.

Hat man aber bereits eine Abmahnung erhalten, stellt sich die Frage:

Was nun?

Auch wenn die Ansprüche dem Grunde nach mit Hinblick auf das Urteil des LG München I begrüntet sein könnten, beinhalten praktisch alle uns vorliegenden Abmahnungen eine ganze Reihe an Indizien, dass es sich tatsächlich um betrügerisches, rechtsmissbräuchliches Vorgehen handelt, sodass eine gerichtliche Durchsetzung der Ansprüche scheitern dürfte. Wir empfehlen deshalb in den meisten Fällen, die geforderte Zahlung nicht zu leisten.

Die naheliegendste Reaktion auf eine rechtsmissbräuchliche Abmahnung wäre, das Schreiben einfach zu ignorieren. Aus unserer Sicht dürfte das Risiko in den uns bekannten Fällen auch vergleichsweise gering sein.

Ein gewisses Restrisiko könnte sich aber beispielsweise aus dem Umstand ergeben, dass in den Abmahnschreiben neben der Schadensersatzzahlung häufig auch Auskunft gemäß Art. 15 DSGVO gefordert wird (so etwa in den Schreiben der Kanzlei RAAG im Namen eines Herrn/Frau Wang Yu).

Um auch dieses Restrisiko weiter zu reduzieren, bietet sich deshalb an, dem Abmahnschreiben kurz zu antworten und insbesondere eine auf den konkreten Fall lautende Vollmacht anzufordern, die angesichts der Vielzahl der Fälle wohl kaum vorliegen dürfte. Weiter können in das Antwortschreiben bereits Argumente aufgenommen werden, weshalb die Abmahnung rechtsmissbräuchlich sein dürfte.

Rechtsmissbrauch liegt in der Regel dann vor, wenn sachfremde Interessen im Vordergrund des Vorgehen des Anspruchstellers stehen. Indizien sind unter anderem:

  • Gebührenerzielungsabsicht,
  • Erhebliche Anzahl von Verstößen gegen die gleiche Rechtsvorschrift (Massenabmahnung),
  • Überhöhter Gegenstandswert.

Sollte einer oder mehrere der oben genannten Punkte auf Ihr Abmahnschreiben zutreffen, könnte es sinnvoll sein ein Abwehrschreiben zu verfassen.

Im Folgenden stellen wir Ihnen ein Muster eines Abwehrschreibens zur Verfügung. Diesem können Sie, entsprechend des einschlägigen Sachverhalts, Formulierungsvorschläge entnehmen, welche Sie für Ihr Antwortschreiben benutzen können.

Hierbei möchten wir Sie darauf hinweisen, dass es sich lediglich um ein Muster handelt und dieses keinesfalls die rechtliche Einzelfall-Beratung durch einen Anwalt ersetzt. Sollten Sie Fragen haben oder Unterstützung brauchen, kontaktieren Sie uns gerne.

Muster:

[Absender]

[Datum]


Sehr geehrte/ geehrter [Name],

ich nehme hiermit Bezug auf Ihre Abmahnung vom [Datum] und möchte mich dazu wie folgt äußern. 

Ich gehe davon aus, dass Ihnen bzw. Ihren Mandanten nach den konkreten Umständen des Einzelfalls ein Schadensersatzanspruch, zumal in der geforderten Höhe, nicht zusteht. Es sprechen aus meiner Sicht deutliche Aspekte dafür, dass Ihr konkretes Vorgehen im vorliegenden Fall als rechtsmissbräuchlich einzustufen ist, sodass Ihnen schon dem Grunde nach gemäß § 242 BGB kein Schadensersatzanspruch zusteht.  

[Es ist es offensichtlich, dass das Schreiben vorbereitet war.
Bspw. wenn das Schreiben im Auftrag von jemanden verfasst wurde (z.B. Absender ist eine Kanzlei, eine Interessensgemeinschaft, etc.)]
In Ihrer Abmahnung verweisen Sie lediglich mit Vor- und Nachnamen auf Ihren Auftraggeber. Eine ladungsfähige Anschrift oder weitere Hinweise auf die Person Ihres Mandanten fehlen.
Dieser Umstand lässt den Schluss zu, dass die Forderung vorformuliert und bereits zuvor – womöglich mehrfach – genutzt worden war. Massenhaftes oder orchestriertes Vorgehen stellt ein Indiz für Rechtsmissbrauch dar und verdeutlicht Ihre Absicht.

Deswegen habe ich Sie aufzufordern einen den gesetzlichen Anforderungen genügende Original-Vollmacht vorzulegen.

[Es lässt sich den Umständen nach entnehmen, dass der Verfasser versucht mit Abmahnungen Geld zu verdienen. Bspw. anhand der Internetseite, o.ä.]
Nach eigenen Nachforschungen werben Sie auf Ihrer Website damit, für Ihre Mandanten Abmahnungen zu verfassen. Wie anhand Ihres Internetauftritts unschwer zu erkennen ist, machen sie daraus ein Geschäft. Steht dabei die Geltendmachung von Verstößen gegen die gleiche Rechtsvorschrift außer Verhältnis zum Umfang der eigenen Geschäftstätigkeit, so ist das ein starkes Indiz für Rechtsmissbrauch.

[Die Abmahnung enthält Hinweise auf eine gezielte Suche des Abmahners nach Websites mit entsprechender Einbindung von Google Fonts]
Dass Sie nach eigenen Angaben „bei einer Webrecherche zum Thema Google Fonts" auf meine Website gestoßen sind, macht bereits deutlich, welche Motivation Ihrem Handeln in Wirklichkeit zugrunde lag. Sie scheinen das Urteil des Landgerichts München I zum Anlass nehmen zu wollen, um so auf einfachem Wege Schadensersatz von Website-Betreibern zu verlangen. Es liegt auf der Hand, dass es hierbei nicht wirklich um den Schutz des eigenen Persönlichkeitsrechts geht, sondern vielmehr um schnellen Gelderwerb.

[Die Forderung enthält Drohungen]
Drohungen mit sachfremden Maßnahmen, nämlich der Anzeige an eine Aufsichtsbehörde und einer öffentlichen negativen Berichterstattung, stellen weitere Indizien für einen Rechtsmissbrauch dar.

[Es wird massenhaft auf Gerichtsurteile verwiesen] 
Bezüglich der von Ihnen angeführten Urteile, möchte ich darauf hinweisen, dass diese keine vergleichbaren Sachverhalte aufweisen. Folglich haben die Gerichtsentscheidungen keinerlei Bezug zum vorliegenden Fall und begründet somit keine gleichartigen Ansprüche.

[Es wird auf das Urteil des Landgerichts München I verwiesen]
Weiterhin lässt sich dem Urteil des Landgerichts München I vom 20.01.2022 nicht entnehmen, dass für eine etwaige rechtswidrige Übermittlung der IP-Adresse an Google durch Google Fonts in jedem Fall und katalogartig ein feststehender Schadensersatz in Höhe von EUR 100,00 geschuldet sei. Vielmehr hängt die konkrete Höhe eines etwaigen Schadensersatzes – insbesondere bei hypothetischen immateriellen Schäden – stets von den Umständen des Einzelfalls und der jeweiligen Eingriffsintensität ab.
Selbst wenn man also davon ausgehen wollte, dass hier überhaupt dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch bestünde (wie tatsächlich nicht), so wäre dieser angesichts der genannten Umstände allenfalls in deutlich geringerer Höhe angemessen.

[Es wird eine Schadensersatzforderung geltend gemacht, ohne eine Unterlassungsforderung]
In Ihrer Abmahnung machen Sie sofort eine Schadensersatzforderung geltend, ohne zuvor auf Unterlassung zu bestehen. Das zeigt, dass es Ihnen vorrangig gar nicht darum geht den rechtswidrigen Einsatz von Google Fonts zu unterbinden. Vielmehr verfolgen Sie mit der Abmahnung einzig und alleine das Ziel daraus Geld zu schöpfen. Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts stand für Sie als Motivation allenfalls im Hintergrund, wenn überhaupt.

[Die Schadensersatzforderung wird ohne eindeutige Rechtsgrundlagen geltend gemacht] 
Aufgrund fehlender Angaben einer entsprechenden Norm, kann nicht genau festgestellt werden, auf welche Rechtsgrundlage Sie Ihren Anspruch stützen. Eine bereits ergangene gerichtliche Entscheidung in einem ähnlichen Fall, kann nach deutschem Recht nicht zur Begründung eines Anspruchs in einem anderen Fall herangezogen werden.

[Zusammenfassung]
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass ein Vorgehen rechtsmissbräuchlich ist, wenn es primär sachfremden Zwecken und nicht der Beseitigung eines angeblich rechtswidrigen Zustandes dient. Dies gilt insbesondere für ein Vorgehen, bei dem es in erster Linie darum geht, Kosten beim Gegenüber zu verursachen und sich selbst hieran zu bereichern (vgl. etwa BGH, Urteil vom 04.07.2019, Az. I ZR 149/18; BGH, Urteil vom 03.03.2016, Az. I ZR 110/15; OLG Köln, Urteil vom 27.11.2020, Az. 6 U 65/20). 

Es lässt sich somit zusammenfassend festhalten, dass Ihr Vorgehen als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist, sodass Schadensersatz gemäß § 242 BGB bereits dem Grunde nach nicht gefordert werden kann. Aufgrund dessen werde ich der Schadensersatzforderung in der von Ihnen gewählten Form nicht ohne gerichtliche Klärung nachkommen.

[Ihre Webseite ist bereits offline]
Ich gehe davon aus, dass sich Ihr Anliegen dadurch, dass meine Website zwischenzeitlich offline genommen wurde, in Ihrem Sinne erledigt hat. Ich beabsichtige insbesondere nicht, die Seite erneut online zu stellen. Die Gefahr weiterer Rechtsverletzungen besteht daher nicht. 

[Ihre Webseite ist noch online]
Rein vorsorglich möchten ich Sie in Ausübung meines virtuellen Hausrechts bitten, von weiteren Besuchen meiner Website künftig abzusehen.


Mit freundlichen Grüßen
[Unterschrift]

 

Wichtig!

Soweit möglich sollte der Verstoß (Einbindung von Google Fonts) fachmännisch durch Ihren Web-Administrator bzw. Ihre Agentur beseitigt werden.

Was passiert, wenn der Besucher tatsächlich klagt?

Das Musterschreiben stellt keine (!) Garantie, dass nicht doch eine Klage erhoben werden könnte.

Allerdings:

Zunächst muss der Kläger die Gerichtskosten selbst im Voraus bezahlen. Im Verfahren muss er dann den Sachverhalt dem Gericht glaubhaft vortragen. Dabei trägt er die volle Beweislast. Außerdem ist die aktuelle Abmahnpraxis auch den Gerichten bekannt, sodass sie die Sachverhalte genaustens prüfen. Die bloße Behauptung einer Rechtsverletzung, wenngleich der Kläger gezielt nach der fehlerhaften Einbindung gesucht hat, dürfte vor Gericht wohl eher wenig erfolgreich sein.

Bislang sind uns keine Klagen bekannt!

Also, wer ganz mutig ist, kann das Schreiben auch einfach ignorieren (die richtige Einbindung von Google Fonts sollte allerdings schon vorgenommen werden.)

Datenschutz-Check empfohlen! 

Sie sollten dennoch das Schreiben zum Anlass nehmen, Ihre Website einem DSGVO-Check zu unterziehen. Seit 2018 haben sich viele Anforderungen an eine ausreichende Datenschutzerklärung und an die datenschutzkonforme Gestaltung einer Website geändert. Umfassende Datenschutzchecks bieten viele Anbieter an. Ein Datenschutzcheck nebst Anpassungsempfehlungen und Formulierungsvorschlägen zum Pauschalpreis wird bspw von der FX Data aus  München angeboten.

Update:

Das Landgericht Baden-Baden hat am 11.10.2022 durch Beschluss (Az.: 3 O 277/22) eine einstweilige Unterlassungsverfügung gegen den Antragsgegner, wegen der Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs, erlassen. Demnach soll er die Antragstellerin nicht mehr mit Forderungen kontaktieren, die im Zusammenhang mit der Einbindung von „Google Fonts“ stehen. Im Namen des Antragsgegners wurden bereits massenhaft Abmahnungen wegen „Persönlichkeitsrechtsverletzung Datenschutz Google Fonts“ verschickt, so auch an unsere Kollegen. Bei einem Verstoß gegen das Verbot droht dem Antragsgegner nun ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 € oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten.

Da nach den bisherigen Informationen die Beschlussverfügung noch nicht zugestellt wurde und der Beschluss ohne Anhörung der Gegenseite erlassen wurde, ist dieser weder bestands- noch rechtskräftig.

Außerdem ist zu beachten, dass sich der aktuelle Beschluss auf einen konkreten Fall bezieht, sodass daraus keine Rückschlüsse auf vergleichbare Situationen gezogen werden dürfen. Es bleibt also abzuwarten, wie die Gerichte in Zukunft auf die stetige Abmahn-Welle reagieren werden.

 

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