Ein Blog von Rechtsanwalt Christos Paloubis

Filesharing: Abmahnung jetzt auch wegen Streamings bei kinox.to?

Wir haben heute einen sehr interessanten Anruf bekommen. Ein Mandant hat eine Abmahnung einer bekannten Abmahnkanzlei  im Namen eines Medienunternehmens erhalten wegen angeblichen Angebots von geschützten Werken (Film) über eine Tauschbörse (BitTorrent).

Soweit sogut, nichts ungewöhnliches. Wir stellen dem Mandanten die üblichen Fragen: Anzahl der Anschlussnutzer? Nur einer, der Anschlussinhaber selbst. Haben Sie das Werk über die Tauschbörse genutzt? Nein! Haben Sie das fragliche Werk gesehen? Jetzt kommt die interessante Information. Das fragliche Werk hat der Mandant schon gesehen, sogar im fraglichen Zeitraum. Nur eben nicht über eine Tauschbörse, sondern über das Streaming-Portal kinox.to. Hoppala.

Nach unserem Wissen kann man über keinen der bei kinox.to angeschlossenen Film-Anbieter Dateien tauschen. Man kann sich trefflich darüber streiten, ob die als Stream betitelten DivX-Downloads noch die Tatbestandsvoraussetzungen des Streamings im Sinne der §§ 44 a und 53 UrhG erfüllen. Aber Tauschbörse? Fehlanzeige. Das aber ist der Vorwurf der Abmahnung. Wenn nun die Behauptung des Mandanten stimmt, dass er zwar das fragliche Werk „gestreamt“ hat, dabei aber keine Tauschbörse genutzt hat, wie kann dann der vermeintliche Rechteinhaber an die IP-Adresse des Anschlussinhabers gelangt sein?

Es drängt sich ein böser Verdacht auf. Gibt es hier Parallelen zum RedTube-Fall? Könnte es sein, dass nun auch die Rechteinhaber „nicht-pornografischer“ Werke dazu übergehen, die Streaming-Plattformen zu überwachen? Die dubiosen Umstände der IP-Adressen-Ermittlung über die Software GladiII im RedTube-Fall haben gezeigt, dass die Überwachung der Nutzer von Streaming-Portalen möglich sein könnte. Parallel berichtet SPON, dass die Geheimdienste Wikileaks-Leser erfassten. Wenn es so einfach ist, wieso sollten nicht auch die vermeintlich seriösen Rechteinhaber nach Streaming-Nutzern  fahnden?

Die Rechteinhaber dürften sich auch im Recht sehen. Streaming über kinox.to & Co. bleibt rechtlich bedenklich. Die bisherigen Beschwichtigungsversuche des Gesetzgebers und der Gerichte nach dem Redtube-Desaster, wonach Streaming rechtlich unbedenklich sei, sind allenfalls Lippenbekenntnisse. Sie rezitieren lediglich den Tatbestand der §§ 44 a und 53 UrhG. Ich bin mir aber nicht sicher, wie sie den Fall beurteilen würden, wenn es sich bei den Werken nicht um Pornos gehandelt hätte, sondern um die neuesten Hollywood-Blockbuster. Gleichzeitig dürften die Nutzungszahlen beim Filesharing zurückgehen. Zumal langsam auch die letzten Bundesbürger verstanden haben sollten, dass Filesharing gefährlich ist. Beim Streaming dürften sich mehr und mehr Nutzer sicher fühlen. Weshalb sollten dann nicht die Rechteinhaber dazu übergehen, jetzt auch Streaming abzumahnen? Es bliebe lediglich die Frage offen, weshalb in der gegenständlichen Abmahnung das Kind nicht beim Namen genannt wurde. (Möglicherweise, weil zumindest die Art und Weise der Ermittlung von IP-Adressen beim Streaming rechtlich bedenklich sein dürfte)

Vielleicht gibt es ja Kollegen, die ähnliche Fälle kennen?

Noch zwei Einschübe:

1.

Der Sachverhalt ist noch nicht verifiziert, deswegen nennen wir auch keine Namen. Der Mandant hat uns bisher lediglich die Umstände und den Inhalt der Abmahnung geschildert. Warum wir die Meldung trotzdem bereits jetzt veröffentlichen? (1.) Weil wir davon ausgehen, dass sich der echte Sachverhalt ohnehin nicht mehr vollständig rekonstruieren lassen wird. Zulange liegen die vermeintlichen Tatzeitpunkte zurück, um über Cache o. ä. die Downloads am (einzigen) Rechner nachvollziehen zu können. Sollte darüber hinaus der Verdacht zutreffen, werden die Abmahner die Sachverhalte wohl kaum einräumen. (2) Weil wir den Mandanten trotzdem für glaubwürdig halten. Die wenigsten Abgemahnten räumen offen ein, tatsächlich eine Rechtsverletzung begangen zu haben. (3) Weil es hier auch darum geht, zu ermitteln, ob nicht andere Kollegen bereits ähnliche Erfahrung gemacht haben (Schwarmintelligenz und so).

2.

Theoretisch wäre noch ein alternativer Sachverhalt denkbar. Der Mandant teil mit, dass der Anschluss aussschliesslich von ihm genutzt wurde. Der von ihm eingesetzte Router (Speedport xx) enthält eine bekannte Sicherheitslücke, die vom Mandanten zum Tatzeitpunkt nicht gepatcht war. Theoretisch hätte der Anschluss also auch durch einen Dritten gehackt worden sein können. Der Mandantn wohnt allerdings in einem Zwei-Parteien-Haus. Bei der zweiten Partei handelt es sich um ein älteres Ehepaar, das zumindest dem äusseren Anschein nach, der Fähigkeiten zum Hacken nicht mächtig sein dürfte.

Update vom 30.05.2014: In den vergangenen Wochen haben mehrere Kollegen den Sachverhalt bestätigt. Glücklicherweise liefern die Kollegen auch gleich eine Erklärung:

Jedenfalls hatten die betroffenen Mandanten uns gegenüber angegeben, dass sie zu keinem Zeitpunkt irgendeine Tauschbörse genutzt hatten, jedoch eingeräumt, dass die jeweils abgemahnten Kinofilme tatsächlich im Internet auf vermeintlichen Streaming-Seiten aufgerufen worden waren. Mit anderen Worten: die Abgemahnten hatten die Filme sehr wohl gesehen, nur eben nicht mittels einer Tauschbörse aufgerufen und verbreitet – so jedenfalls deren Annahme.

Die Erklärung, wie es dennoch zu den Abmahnungen kommen konnte, ist relativ einfach: nicht jede Streaming-Seite, die vorgibt, Streams anzubieten, greift tatsächlich auf die Technik des Streamings (also des bloßen Anschauens eines Films) zurück. Beispielsweise Portale wie Popcorn Time (seit kurzem auch als App erhältlich), Cinefi oder die Seite http://www.cuevana.tv/ lassen zwar den Aufruf teilweise hochaktueller Kinofilme zu. Dabei werden diese aber nicht einfach nur mittels Stream geliefert, sondern tatsächlich erfolgt ein Zugriff auf P2P-Netzwerke. Da insoweit sehr wohl eine Nutzung des BitTorrent-Protokolls erfolgt, werden die abgerufenen Filme also doch auch vom jeweiligen Nutzer angeboten.

Quelle: Rechtsanwalt Matthias Lederer von Internetrecht-Freising: Nach Redtube-Abmahnungen von U+C Rechtsanwälte: Waldorf Frommer mahnt wegen “Streaming” ab“

 Update vom 15.09.2015:

Wir weisen darauf hin, dass wir keine Rechtsberatung oder Vertretung in Filesharing-Fällen anbieten. Sind Sie abgemahnt worden? Dann finden Sie erste hilfreiche Informationen, Handlungsempfehlungen und Links zu geeigneten Anwälten unter:

Abmahnung.org

oder auch

Abmahnwahn-Dreipage

 

Zurück

Abmahnung wegen Marke “LAPD”: Zur Schutzfähigkeit der Marke für Bekleidungsstücke und der zulässigen Verwendung | muepe.de | weblog peter müller | Domainrecht, Markenrecht, UDRP und sonstiger gewerblicher Rechtsschutz

Nächster Beitrag

OLG Hamm: Fiktive Lizenzgebühr bei Bilderklau – MFM minus x Prozent

  1. Attila

    Huhu,

    sollte kinox.to nicht schon längst abgeschaltet sein???

  2. Daniel

    Super vielen Dank! Und noch einmal Danke für die nützlichen Informationen.

  3. Christos Paloubis

    Diese Schreiben können Sie nicht ignorieren. Bitte informieren Sie sich, z. B. unter http://www.abmahnung.org und suchen Sie ggfs. einen geeigneten Anwalt auf!

  4. Daniel

    Wie ist es im Falle der Abgemahnten weitergegangen? Können Sie diese Schreiben ignorieren? Oder hat sich gesetzlich etwas getan nach den RadTube-Fällen?

  5. Christos Paloubis

    Wir haben hier noch keine Neuigkeiten, werden aber auf jeden Fall berichten, wenn es etwas mehr Anhaltspunkte zu dem Sachverhalt gibt

  6. Mathias

    Ist da noch irgendwas nachgekommen ? Wäre interessant zu wissen wie denn die IP Adresse ermitteln worden sein soll.

Schreibe einen Kommentar

Präsentiert von WordPress & Theme erstellt von Anders Norén