Der Kampf um die Überwachung der Online-Kommunikation geht in die nächste Runde! Die EU, Großbritannien und die USA wollen die Online-Kommunikation ihrer Bürger durchleuchten, um sie vor illegalen Inhalten zu schützen. Doch der geplante Einsatz des sogenannten Client-Side-Scannings zur Überprüfung der Nachrichteninhalte stößt auf heftige Kritik. Warum könnte das für die Nutzer gefährlich werden? Welche Ziele verfolgen die Regierungen mit dieser groß angelegten Überwachung? Was muss dabei in Hinblick auf die Grundrechte beachtet werden? 

Hintergrund:

Die einzelnen Gesetzesentwürfe verfolgen alle ein gemeinsames Ziel: Schutz der Internetnutzer in der digitalen Kommunikation, besonderer Schutz von Kindern und vor illegalen Inhalten wie Kinderpornografie. Dafür sollen soziale Medien und Kommunikationsdienste unter anderem nach Missbrauchsmaterialien durchsucht werden.

Das Problem: 

Die Mehrheit aller Messenger-Dienste nutzt für die Übermittlung von Nachrichten eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Dadurch können die Nachrichten in einem Kommunikationsdienst nur vom Absender und Empfänger gelesen werden. Für die Durchsuchungen nach Missbrauchsmaterial soll das sogenannte Client-Side-Scanning eingesetzt werden. Dabei werden die Inhalte von Nachrichten nämlich bereits vor der Verschlüsselung überprüft, sodass der Ende-zu-Ende-Verschlüsselungsstandard schlichtweg nutzlos wäre. Kritiker befürchten dadurch eine wahllose Überwachung der Nachrichten, was eine erhebliche Bedrohung für die Privatsphäre der Nutzer darstellen würde.

Chatkontrolle-Gesetz der EU:

Der EU-Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz hat Anfang Februar bereits deutlich gemacht, dass er einige im Gesetzesentwurf der Kommission enthaltene Überwachungsvorhaben ändern oder gar streichen will:

  1. Einerseits soll eine Einschränkung der Verschlüsselung verhindert werden, denn die Einschränkung könnte auch durch böswillige Dritte missbraucht werden.
  2. Andererseits sollen Anbieter von Online-Diensten zwar weiterhin nach bereits bekannten Aufnahmen von Missbrauchsmaterial im Rahmen eines Datenabgleichs suchen dürfen. Eine Suche nach neuen verdächtigen Aufnahmen, wie es die Kommission beabsichtigte, soll jedoch gerade nicht angeordnet werden können. Es bestehe eine zu hohe Gefahr, dass Nutzer wegen fälschlicher Annahmen des Missbrauchs verdächtigt würden, z.B. bei Aufnahmen für medizinische Zwecke.
  3. Darüber hinaus soll auch die Altersüberprüfung zum Beispiel mittels Ausweis bei Online-Diensten nicht mehr in Frage kommen. Dadurch würden die Nutzer sensible Daten preisgeben, die im Falle eines Datenlecks unkontrolliert an die Öffentlichkeit gelangen würden.

Online Safety Bill

Auch die britische Regierung setzt in ihrem Gesetzesentwurf auf das Auffinden und Löschen illegaler Inhalte, Altersbeschränkungen und -kontrollen, sowie Überwachung privater Nachrichten.

Nachdem die Kritik in der EU bereits Wirkung zu zeigen scheint, sind in England die Fronten noch verhärtet. Während die Regierung weiter an dem Gesetzesentwurf festhalten will, sprachen sich Messenger-Dienste wie Signal, WhatsApp und Threema in einem offenen Brief deutlich gegen den Gesetzesentwurf aus. Sie befürchten, dass die britische Regierungsbehörde Ofcom dadurch zur Überwachung privater Nachrichten ermächtigt werde. Die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung soll den Nutzern jedoch gerade als Verteidigung gegen Bedrohungen durch Online-Betrug und Diebstahl ausgesetzt sein. Sollte der Online Safety Bill in Kraft treten, so werden die Messenger-Dienste laut ihrem Brief Großbritannien verlassen. Sie begründen ihre Entscheidung damit, dass sie die Sicherheit ihrer Dienste nicht abschwächen werden. Auch eine Einführung einer speziellen Verschlüsselung für England käme nicht in Frage. Threema will hingegen als einziger der Verfasser weiter in England tätig bleiben.

Stop CSAM Act der USA

Der amerikanische Gesetzesentwurf „Stop Child Sexual Abuse Material“ zielt überwiegend darauf ab, Anbieter von Online-Diensten zur Verantwortung zu ziehen. Diensteanbieter könnten auf Grundlage dieses Gesetzes wegen fahrlässiger Förderung oder Erleichterung von Handlungen im Zusammenhang mit der Ausbeutung von Kindern, dem Hosten oder Speichern von Kinderpornografie oder der Bereitstellung solchen Materials für Dritte zivilrechtlich verklagt werden.

Doch auch hier hagelt es Kritik. Zum einen sei der Gesetzesentwurf so weit gefasst, dass auch hierunter eine Umgehung der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung nicht auszuschließen sei. Außerdem könnte der weite Wortlaut des Entwurfs auch passives Verhalten wie das bloße Bereitstellen eines verschlüsselten Kommunikationsdienstes erfassen. Die Möglichkeit dort Bilder und andere Dateien zu speichern würde die Annahme rechtfertigen, dass der Diensteanbieter die Weitergabe illegaler Inhalte fördert. Dies geht jedoch deutlich zu weit, insbesondere da die Verbreitung von Missbrauchsdarstellungen ohnehin bereits strafbar ist. Darüber hinaus sind Diensteanbieter nach bereits geltendem Recht verpflichtet, jede tatsächliche Kenntnis potenzieller Missbrauchsmaterialien an das National Center for Missing and Exploited Children zu melden.

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