Im Rahmen des Rechts auf Vergessenwerden müssen Suchmaschinen Inhalte entfernen, wenn nachgewiesen ist, dass diese offensichtlich unrichtig sind. Mit der Frage, welche Anforderungen an den Nachweis der Unrichtigkeit zu stellen sind, setzte sich nun der EuGH in einem aktuellen Urteil auseinander.

Was ist passiert?

Bei einer Namenssuche der Betroffenen wurden mehrere Artikel, sowie im Rahmen einer Bildersuche, Fotos in der Ergebnisübersicht als Vorschaubilder angezeigt. Die Betroffenen forderten Google zum einen auf die entsprechenden Artikel auszulisten, weil sie unrichtige Behauptungen und verleumderische Ansichten enthielten. Zum anderen sollten die Vorschaubilder aus der Übersicht der Suchergebnisse durch Google entfernt werden. Google lehnte den Antrag ab mit der Begründung, die Artikel und Fotos seien im beruflichen Kontext der Betroffenen veröffentlicht worden. Außerdem hätte Google nicht gewusst, dass die in diesen Artikeln enthaltenen Informationen unrichtig seien. Um eine Löschung zu veranlassen, müssten die Betroffenen erst eine gerichtliche Entscheidung vorlegen, welche die Unrichtigkeit der Informationen bestätige.

Die von den Betroffenen erhobene Klage wurde in beiden Instanzen abgewiesen. Das OLG Köln ging dabei davon aus, dass Suchmaschinen erst zu entsprechenden Handlungen verpflichtet sind, wenn sie aufgrund eines konkreten Hinweises Kenntnis von einer offensichtlichen und auf den ersten Blick klar erkennbaren Rechtsverletzung erlangen. Dabei trifft die Beweislast die Person, die die Auslistung begehrt. Die Betroffenen konnten im aktuellen Fall den Beweis gegenüber Google gerade nicht erbringen, sodass keine Löschpflicht des Suchmaschinenbetreibers bestanden hat. Hiergegen legten die Betroffenen schließlich Revision beim BGH ein, der den Fall dem EuGH im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens zur Beurteilung vorlegte.

Hintergrund:

Betroffene haben gemäß Art. 17 Abs. 1 DSGVO grundsätzlich einen Anspruch gegenüber Suchmaschinen, nachweislich falsche Informationen über sich löschen zu lassen. Insbesondere sind sie nicht gehalten, sich vorrangig an den Betreiber der Webseite zu wenden, auf der die Information veröffentlicht wurde. Die Suchmaschinenbetreiber müssen spätestens nach Antrag des Betroffenen tätig werden. Gemäß Art. 17 Abs. 3 DSGVO besteht ein Recht auf Löschung hingegen dann nicht, wenn die Daten erforderlich sind, um Menschen die Ausübung des Rechts auf freie Information zu ermöglichen. Das Recht auf freie Meinungsäußerung und Information kann allerdings nicht berücksichtigt werden, wenn die Inhalte falsch sind.

Beurteilung des EuGH:

In dem Vorabentscheidungsverfahren (EuGH, Urteil vom 08.12.2022, Rechtssache C-460/20) führte der EuGH zu der aufgeworfenen Frage, ob und inwieweit die Betroffenen die behauptete Unrichtigkeit der Informationen hätten nachweisen müssen, wie folgt aus:

[Der betroffenen Person obliegt] der Nachweis, dass die in diesem Inhalt enthaltenen […] Informationen offensichtlich unrichtig sind. Damit dieser Person jedoch keine übermäßige Belastung auferlegt wird, die die praktische Wirksamkeit des Rechts auf Auslistung beeinträchtigen könnte, hat sie lediglich die Nachweise beizubringen, die unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls von ihr vernünftigerweise verlangt werden können, um diese offensichtliche Unrichtigkeit festzustellen. Insoweit kann diese Person grundsätzlich nicht dazu verpflichtet werden, bereits im vorgerichtlichen Stadium zur Stützung ihres Auslistungsantrags an den Suchmaschinenbetreiber eine gegen den Herausgeber der betreffenden Website erwirkte gerichtliche Entscheidung – selbst in Form einer im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen Entscheidung – vorzulegen. […]

Gleichwohl ist dieser [Suchmaschinen-]Betreiber im Rahmen der Prüfung der Anwendungsvoraussetzungen von Art. 17 Abs. 3 Buchst. a der DSGVO nicht verpflichtet, bei der Suche nach Tatsachen, die von dem Auslistungsantrag nicht gestützt werden, aktiv mitzuwirken, um festzustellen, ob dieser Antrag stichhaltig ist. […] Würde man einem Suchmaschinenbetreiber eine solche Pflicht auferlegen, so bestünde die Gefahr einer abschreckenden Wirkung für die Ausübung der Freiheit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit, wenn der Betreiber der Suchmaschine eine solche Auslistung nahezu systematisch vornähme, um zu vermeiden, dass er die Last der Ermittlung der Tatsachen zu tragen hat, die für die Feststellung der Richtigkeit oder Unrichtigkeit des aufgelisteten Inhalts relevant sind.

Bezüglich der Fotos entschied das Gericht, dass Vorschaubilder in der Suchergebnisübersicht außerhalb des Kontextes ihrer Veröffentlichung stehen und deshalb nur einen geringen Informationswert haben. Somit ist die Löschung der Fotos abhängig davon, ob der im Zusammenhang veröffentlichte Artikel zu löschen ist. Ist der Artikel zu löschen, so müssen auch die Vorschaubilder entfernt werden, da ansonsten die praktische Wirksamkeit der Auslistung des Artikels untergraben werde.

 

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