Früher waren Plattformen im Rahmen von Urheberrechtsverletzungen nur zur Unterlassung verpflichtet. In einem aktuellen Urteil stellte der BGH nun klar, dass Internetplattformen künftig unter bestimmten Bedingungen für Urheberrechtsverstöße von Nutzern auch selbst zu Schadensersatz und Auskunft über die Identität des Nutzers verpflichtet werden können.

So entscheid der BGH im Urteil vom 02.06.2022 (Az. I ZR 135/18):

In dem Verfahren ging es um sieben Fälle, in denen die Verantwortung von YouTube und Uploaded für Urheberrechtsverstöße ihrer Nutzer geklärt werden sollte. Der Produzent von Sarah Brightman klagte gegen YouTube wegen wiederholt illegal hochgeladener Konzertmitschnitte. Gegen Uploaded klagten neben der GEMA auch Musik- und Filmunternehmen sowie ein Verlag. Dabei ging es unter anderem um die unerlaubte Verbreitung von Musikalben und medizinischen Fachbüchern. Die Kläger verlangten neben Unterlassung auch Schadensersatz.

Diese Fälle wurden bereits 2018 dem EuGH vorgelegt, um die Frage der Verantwortlichkeit der Plattformen im Rahmen des EU-Rechts zu klären. Der EuGH stellte klar, dass Plattformen für das Verhalten von Nutzern verantwortlich sind, wenn das Geschäftsmodell der Plattform darauf ausgelegt ist, rechtsverletzende Inhalte zu verbreiten oder keine geeigneten Maßnahmen getroffen werden, um Urheberrechtsverletzungen zu verhindern.

Auf Grundlage dieser Entscheidung stellte nun der BGH fest: Machen Nutzer urheberrechtlich geschützte Inhalte über die Plattform verfügbar, so kann der Plattformbetreiber für diese Verstöße zu Schadensersatz und Auskunft verpflichtet werden. Dabei müssen die Plattformen die Identität sowie E-Mail-Adresse des Nutzers bekannt geben, welcher die Rechtsverletzung begangen hat. Schadensersatzpflichtig machen sich die Plattformen dann, wenn sie nicht oder nicht rechtszeitig selbst gegen die Urheberrechtsverletzung vorgegangen sind, nachdem sie von dem Verstoß erfahren haben. Die Plattformen haften künftig auch, wenn sie Anreize zur illegalen Verbreitung von Inhalten schaffen. Dies könnte im Fall von Uploaded der Fall sein. Dort bekommen Nutzer Geldprämien für Inhalte, die besonders oft heruntergeladen wurden.

Die sieben Fälle müssen nun erneut anhand der aufgestellten Maßstäbe geprüft werden. Insbesondere muss durch die Berufungsgerichte festgestellt werden, ob die Plattformen wirksame Maßnahmen ergreifen, um eigenständig konsequent und unverzüglich gegen Urheberrechtsverstöße vorzugehen. Das Bereitstellen von

„lediglich reaktiven technischen Maßnahmen“,

die Rechteinhabern das Auffinden und Melden von rechtsverletzenden Inhalten ermöglichen sollen, reichen dafür nicht aus, so der BGH.

Inwieweit das Urteil überhaupt Bedeutung für die Zukunft habenwird, ist fraglich, denn seit August 2019 gilt die neue EU-Richtlinie zum Urheberrecht. Die Plattformen sind nach der Richtlinie ohnehin verpflichtet, sich selbst um die Einhaltung des Urheberrechts auf ihrer Website zu kümmern. Werden urheberrechtlich geschützte Werke von Nutzern hochgeladen und fehlen dafür die entsprechenden Lizenzen, so haftet der Plattformbetreiber. Eine wirksame Maßnahme zur Verhinderung solcher Verstöße kann der Einsatz technischer Systeme sein, also Algorithmen, welche die Inhalte automatisch filtern. Problematisch daran ist die Fehleranfälligkeit und die Schwierigkeit für den Filtermechanismus urheberrechtlich erlaubte Inhalte wie Zitate oder Satire von unerlaubten Inhalten zu unterscheiden. Die Urheberrechtsreform verpflichtet die Plattformen jedoch faktisch zum Einsatz solcher Upload-Filter, was damals bereits ein großer Kritikpunkt war.

 

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