Darf Facebook aufgrund der eigenen AGB bzw. Gemeinschaftsstandards Posts von Nutzern einfach löschen? Dürfen  auf dieser Grundlage Nutzerkonten deaktiviert  oder Nutzer gesperrt werden? Diese Fragen wurden im Jahr 2021 erstmals vom BGH beantwortet. In einem aktuellen Urteil wendet das OLG Karlsruhe die Rechtsprechung des BGH an. Spoiler: Facebook darf sich die Sperrung von Accounts und Entfernung von Beiträgen nach eigenem Ermessen nicht vorbehalten.

Ein Facebook Nutzer klagte gegen Facebook auf Unterlassung der Löschung seiner Beiträge und der vorübergehenden Kontosperrung sowie Reaktivierung des Nutzerkontos. Der Kläger hatte mit seiner Klage vor dem OLG Karlsruhe (Urteil vom 04.02.2022, Az.: 10  U 17/20) Erfolg.

Die Löschung von Beiträgen und die vorübergehenden Sperrungen des Accounts waren nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von „Facebook“ in der maßgeblichen Fassung vom 19.04.2018 unzulässig.

Auch die Kündigung des Nutzungsvertrags durch „Facebook“ hielt der rechtlichen Überprüfung durch den 10. Zivilsenat nicht stand.

Was war geschehen?

Der Kläger hatte im Sommer 2019 auf Facebook Beiträge mit Bezug zu der „Identitären Bewegung“ veröffentlicht. Diese wurden von Facebook gelöscht und das Konto des Klägers vorübergehend gesperrt.

Nachdem der Kläger später weitere Beiträge veröffentlicht hatte, wurde sein Account dauerhaft deaktiviert. Facebook begründete das mit einem Verstoß gegen die AGB und die Gemeinschaftsstandards, die die Unterstützung von Hassorganisationen verbieten.

Gegen diese Maßnahmen ging der Kläger später vor Gericht.

Wie entschied das Gericht?

In der ersten Instanz vor dem LG Mannheim wurde die Klage abgewiesen.

Das OLG Karlsruhe entschied in zweiter Instanz hingegen für den Kläger. Die Löschung und vorübergehende Sperrung nach den AGB (vom 19.04.2018) war unzulässig.

Hierzu führte das Gericht aus:

Grundsätzlich darf sich der Anbieter eines sozialen Netzwerks das Recht vorbehalten, bei Verstoß gegen die Kommunikationsstandards einzelne Beiträge zu entfernen oder den Netzwerkzugang zu sperren.

Der Anbieter des sozialen Netzwerks muss in seinen Geschäftsbedingungen jedoch sicherstellen, dass der Nutzer über die Entfernung eines Beitrags jedenfalls unverzüglich nachträglich und über eine beabsichtigte Sperrung des Nutzerkontos vorab informiert und ihm der Grund dafür mitgeteilt wird. Der Nutzer muss dann die Möglichkeit zur Stellungnahme haben, an die sich eine erneute Entscheidung des Anbieters mit der Option anschließt, einen entfernten Beitrag auch wieder zugänglich zu machen.

Die AGB von Facebook sehen jedoch kein solches Verfahren für die Facebook-Nutzer vor. Deshalb sind die Entfernungs- und Sperrungsvorbehalte nach Ansicht des Senats unwirksam. Damit folgt das Gericht dem BGH. In der Entscheidung vom 29. Juli 2021 (Aktenzeichen: III ZR 179/20 und III ZR 192/20) ging es ebenfalls um die Frage, ob die Löschpraxis, die Facebook in seinen Nutzungsbedingungen vorsieht, der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB standhält.

Der BGH stellte fest, dass Facebook grundsätzlich gewisse Kommunikationsstandards vorgeben darf, die auch über strafrechtliche Vorgaben hinausgehen. Facebook ist gehalten, unverzüglich tätig zu werden, um strafbare Inhalte in seinem sozialen Netzwerk zu entfernen oder zu sperren, sobald es Kenntnis von Tatsachen oder Umständen erlangt hat, aus denen die Rechtswidrigkeit der Beiträge offensichtlich wird. Dabei muss es jedoch auch die Meinungsfreiheit der Nutzerinnen und Nutzer beachten und über Löschungen zumindest nachträglich informieren und den Betroffenen die Möglichkeit zur Gegenäußerung einräumen. Fehlt eine entsprechende Bestimmung in den Geschäftsbedingungen, sind diese gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

So sah es in diesem Fall auch das OLG Karlsruhe.

Weiterhin führt das OLG hinsichtlich der Kündigung des Nutzungsvertrags aus:

Zwar darf ein Nutzungsvertrag bei Verstößen gegen Kommunikationsstandards beendet werden, wenn dafür ein wichtiger Grund vorliegt. Eine vorherige Abmahnung ist aber nur in eng begrenzten Ausnahmefällen entbehrlich, etwa bei besonders gravierenden Vertragsverletzungen oder bei offensichtlicher Zwecklosigkeit der Abmahnung. Für einen interessengerechten Ausgleich der kollidierenden Grundrechtspositionen der Parteien ist es in der Regel erforderlich, dass der Nutzer vorab über die beabsichtigte Kündigung des Nutzervertrags informiert, ihm den Grund hierfür mitgeteilt und ihm eine Möglichkeit zur Gegenäußerung eingeräumt wird.

Eine wirksame Abmahnung lag hier nicht vor.

Insbesondere konnten die Beitragslöschung und Kontosperrung nicht als ordnungsgemäße konkludente Abmahnung gesehen werden, da sie aufgrund der bereits festgestellten Unwirksamkeit des Entfernungs- und Sperrungsvorbehalts in den AGB rechtswidrig gewesen sind.

Von der Abmahnung konnte auch nicht ausnahmsweise abgesehen werden, denn es lag weder eine Weigerung des Klägers sich an den Vertrag zu halten vor, noch wurden Beiträge mit strafbaren Inhalten veröffentlicht, die eine gravierende Vertragsverletzung begründen würde.

Fazit:

Es versteht sich und es wichtig, dass Social Media Plattformen gegen Hate Speech vorgehen. Trotzdem ist wichtig, dass auch dabei die rechtsstaatlichen Grundsätze gewahrt werden. Insofern ist Facebook nun am Zug, die AGB anzupassen und einen rechtskonformen Prozess zu etablieren, mit dem Hate Speech Beiträge rechtskonform entfernt werden können. Die Entscheidung ist vor allem wichtig, um die Nutzer zu schützen, die Ihre Meinung im Rahmen des Grundgesetzes äußern.

Die Entscheidung hat aber auch Auswirkungen auf anderen Plattformen. Künftig wird es beispielsweise auch Instagram nicht mehr möglich sein, Influencer Accounts willkürlich zu sperren. Gerade dort bestreiten viele User mit dem Account ihre Existenz oder erzielen zumindest erhebliche Einnahmen. Die willkürliche Sperrung des Accounts hat dann oft gravierende wirtschaftliche Folgen.

Welche Rechte hat man als Social Media-Nutzer in solchen Fällen?

Hat der Anbieter eines sozialen Netzwerks vertragswidrig den im Netzwerk eingestellten Beitrag eines Nutzers gelöscht, hat der Nutzer gegen den Anbieter einen vertraglichen Anspruch gemäß § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 249 Abs. 1 BGB auf Freischaltung des gelöschten Beitrags.

Dem Nutzer steht bei Wiederholungsgefahr gegen Facebook gemäß § 280 Abs. 1 BGB ebenfalls ein Anspruch auf Unterlassung einer erneuten Kontosperrung und Löschung des Beitrags bei dessen erneuter Einstellung zu.

Außerdem kann der Nutzer gerichtlich feststellen lassen, dass eine außerordentliche Kündigung unwirksam war und der Nutzungsvertrag mit Facebook weiterhin besteht. Facebook muss also den Account wieder freigeben.

Daneben können, wie auch bereits in den vergangenen Urteilen geschehen, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf ihre Wirksamkeit geprüft werden.

Zuletzt können sich Schadensersatzansprüchen ergeben, wenn der Nutzer durch die Sperrung wirtschaftliche Einbußen hatte.

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