Der EuGH hat mit Urteil vom 06.10.2021, Az.: C-13/20 die Voraussetzungen festgelegt, unter denen es Erwerbern von proprietärer Software auch gegen den Willen des Herstellers der Software erlaubt ist, diese zu dekompilieren.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt hatte ein IT-Dienstleister für einen Kunden verschiedene Softwareanwendungen erstellt. Nachdem sich im Rahmen der Kommunikation zwischen den Unternehmen herausgestellt hatte, dass der Kunde den Code der Software zur Behebung von Softwarefehlern dekompiliert hat, verklagte der IT-Dienstleister den Kunden wegen Verletzung seines Ausschließlichkeitsrechts an der Software.

In seiner Entscheidung gelangte der EuGH im Rahmen der Auslegung der Richtlinie 91/250 zum Schutz von Computerprogrammen zu dem Ergebnis, dass die Dekompilierung von proprietärer Software unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist. Der Erwerber von Software darf diese dekompilieren, wenn

  • er die Software rechtmäßig erworben hat,
  • die erworbene Software Fehler aufweist, die die bestimmungsgemäße Nutzung der Software beeinträchtigen und
  • die Dekompilierung der Software notwendig ist, um die bestimmungsgemäße Nutzbarkeit des Programms wiederherzustellen.

 

Regelungen des Herstellers der Software, wonach es dem Erwerber der Software untersagt ist, Fehler selbst zu berichtigen, sind nach Ansicht des EuGH unzulässig. Zugleich hat der EuGH allerdings auch klargestellt, dass die Dekompilierung ausschließlich der Fehlerberichtigung dienen darf. Wörtlich heißt es in der Entscheidung:

 

Viertens darf der rechtmäßige Erwerber eines Computerprogramms, der dieses zur Berichtigung von Fehlern, die dessen Funktionieren beeinträchtigen, dekompiliert hat, das Ergebnis dieser Dekompilierung nicht zu anderen Zwecken als zur Berichtigung dieser Fehler verwenden.

 

Letztendlich bedeutet die Entscheidung des EuGH, dass rechtmäßige Erwerber von proprietärer Software den Code der Software im Rahmen des Reverse Engineerings in einen lesbaren Programmcode rückübersetzen dürfen, sofern dies der Behebung von Fehler dient, die die Funktionsfähigkeit der Software beeinträchtigen. Eine Zustimmung bzw. Erlaubnis des Herstellers der Software ist hierfür nicht erforderlich.