Im Rahmen der Umsetzung des Art. 3 Ziff. 5 der Richtlinie (EU) 2019/2161 in Art. 11a der Richtlinie (EG) 2005/29 soll ein neuer individueller Schadensersatzanspruch für durch unlautere Geschäftspraktiken geschädigte Verbraucher in das UWG eingeführt werden. Nachfolgend sollen die in diesem Zusammenhang momentan geltende Rechtslage, die Voraussetzungen des neuen Schadensersatzanspruchs sowie mögliche, durch den neuen Anspruch eintretende Folgen beleuchtet werden.

 

  1. Aktuelle Rechtslage

Die derzeit gültige Fassung des § 9 UWG sieht vor, dass derjenige, der vorsätzlich oder fahrlässig eine unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, den Mitbewerbern zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens verpflichtet ist. Für Verbraucher und/oder Verbraucherschutzverbände ist hingegen eine Schadensersatzberechtigung nach dem UWG nicht vorgesehen.

Dennoch sind von Wettbewerbsverstößen betroffene Verbraucher nicht vollkommen schutzlos gestellt. Bislang steht Verbrauchern in solchen Fällen das allgemeine Zivilrecht zur Verfügung. So haben diese bei Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen die Möglichkeit,

 

  • das jeweilige Rechtsgeschäft anzufechten,
  • etwaige Mängelrechte geltend zu machen
  • vertragliche und/oder deliktische Schadensersatzansprüche geltend zu machen oder
  • das Widerrufsrecht auszuüben.

Obwohl Verbraucher nicht gänzlich schutzlos gestellt sind, bestehen dennoch einigen Schutzlücken. In Fällen, in denen eine Irreführung durch einen Werbenden, der jedoch nicht identisch mit dem Vertragspartner des Verbrauchers ist, sind beispielsweise vertragliche Ansprüche von vornherein ausgeschlossen. Ebenso sind Fälle denkbar, in denen Verbraucher zwar bewusst in die Irre geführt werden, die hohen Anforderungen des § 123 BGB an eine vorsätzliche Täuschung jedoch nicht gegeben sind.

 

  1. Gesetzentwurf

Der im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie 2019/2161 – die sogenannte Omnibus-Richtlinie – geschaffene Gesetzentwurf sieht nun vor, dass § 9 UWG um einen zweiten Absatz ergänzt wird. Die Ergänzung soll folgenden Wortlaut haben:

Wer vorsätzlich oder fahrlässig eine nach § 3 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt und hierdurch Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst, die sie andernfalls nicht getroffen hätten, ist ihnen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Dies gilt nicht für unlautere geschäftliche Handlungen nach den §§ 3a, 4 und 6.“

 

Ziel der neuen Regelung ist die Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und im Gewerberecht. Insbesondere verfolgt die neue Regelung eine Verbesserung sowie Vereinfachung der Durchsetzbarkeit von Verbraucherschutzvorschriften.

 

  1. Voraussetzungen des neuen Schadensersatzanspruchs

Nachfolgend sollen die Voraussetzungen sowie etwaige damit einhergehende Probleme kurz beleuchtet werden:

 

3.1          Unzulässige geschäftliche Handlung

Grundvoraussetzung für den Schadensersatzanspruch nach § 9 Abs. 2 UWG ist zunächst, dass von einem Unternehmer eine unzulässige geschäftliche Handlung im Sinne des § 3 UWG vorgenommen wird. Aufgrund der Verweisung auf § 3 UWG – umfasst hiervon ist auch der Abs. 2 – werden als Grundlage für einen Schadensersatzanspruch auch geschäftliche Handlungen ausreichen, die der Unternehmer nicht vorsätzlich begangen hat, sondern bei denen die unternehmerische Sorgfalt außer Acht gelassen wurde.

Die in §§ 3a, 4 und 6 UWG genannten unlauteren Handlungen stellen keine unzulässigen geschäftlichen Handlungen im Sinne des § 9 Abs. 2 UWG dar. Hintergrund dürfte sein, dass vorgenannte Normen nicht dem Schutz von Verbrauchern, sondern ausschließlich von anderen Marktteilnehmern und Wettbewerbern dienen sollen.

 

3.2          Veranlassung zu geschäftlicher Entscheidung 

Weitere Voraussetzung ist, dass der Verbraucher durch die unzulässige geschäftliche Handlung zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst worden ist. Hierin ist die für Schadensersatzansprüche erforderliche Kausalität zu sehen. Entgegen anderen wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen reicht es nicht aus, dass die jeweilige unzulässige geschäftliche Handlung grundsätzlich geeignet ist, Verbraucher zu einer Entscheidung zu veranlassen, die sie anderenfalls nicht getroffen hätten. Nach dem Wortlaut der Regelung muss der Verbraucher durch die unzulässige Handlung zu der Entscheidung veranlasst worden sein. Das bedeutet, der Verbraucher muss das jeweilige Rechtsgeschäft abgeschlossen haben. Durch den Abschluss des Rechtsgeschäfts muss dem Verbraucher dann der Schaden entstanden sein.

Im Rahmen der Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs ist der Verbraucher jedoch darlegungs- und beweisbelastet. Entsprechend muss er beweisen, dass er durch die jeweilige unzulässige geschäftliche Handlung, durch die ihm der Schaden entstanden ist, veranlasst wurde. Dies bedeutet konkret, dass der Verbraucher nachweisen muss, den jeweiligen Vertrag nicht geschlossen zu haben, wenn er richtig informiert worden wäre bzw. Kenntnis von der jeweiligen Information gehabt hätte.

 

3.3          Inhalt des Schadensersatzes

Inhaltlich umfasst der Schadensersatz nach § 9 Abs. 2 UWG zunächst einen Anspruch auf Ersatz bzw. Ausgleich des durch die Veranlassung zu der jeweiligen geschäftlichen Entscheidung tatsächlich entstandenen Schadens. Umfasst hiervon sind beispielsweise vergeblich getätigte Aufwendungen wie beispielsweise Fahrkosten.

Darüber hinaus kann der Schadensersatzanspruch auch auf Naturalrestitution gerichtet werden; das bedeutet, der Verbraucher muss so gestellt werden, wie er ohne das schädigende Ereignis stehen würde. Demnach kann der Verbraucher, wenn er den jeweiligen Vertrag ohne die unzulässige Handlung nicht geschlossen hätte, die Auflösung des Vertrags verlangen.

In Zusammenhang mit der Vertragsaufhebung dürfte jedoch fraglich sein, ob jede unzulässige geschäftliche Handlung eines Unternehmers zu einer Aufhebung des Vertrags führt bzw. führen kann. Besonders relevant könnten hier die Fälle sein, in denen der Unternehmer gegen Informationspflichten verstoßt. Sofern der Unternehmer dem Verbraucher eine unwesentliche Informationspflicht vorenthält, dürfte es dem Verbraucher nahezu unmöglich sein, der ihm obliegenden Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Veranlassung zur geschäftlichen Entscheidung bzw. dahingehend, dass er bei Kenntnis der jeweiligen Informationen den Vertrag nicht geschlossen hätte, nachzukommen. Auch ist es fraglich, ob jede – möglicherweise minimale – Verletzung einer Informationspflicht die Berechtigung zur Vertragsauflösung nach sich ziehen soll.

Anders dürfte es jedoch sein, wenn dem Verbraucher wesentliche Informationen vorenthalten werden. In solchen Fällen könnte bereits die Vermutung greifen, dass der Verbraucher durch die unzulässige Handlung zur Vornahme der geschäftlichen Handlung bzw. zum Vertragsabschluss veranlasst wurde, so dass der Verbraucher in solchen Fällen von seiner Darlegungs- und Beweislast nahezu vollständig befreit wäre.

 

3.4          Verjährung

Schadensersatzansprüche nach § 9 Abs. 2 UWG verjähren nach § 11 UWG innerhalb von sechs Monaten, beginnend mit der Entstehung des Anspruchs sowie der Kenntniserlangung bzw. grob fahrlässigen Nicht-Kenntnis-Erlangung des Betroffenen. Die allgemeinen BGB-Ansprüche hingegen unterliegen den deutlichen längeren Verjährungsregelungen der §§ 195 ff. BGB.

 

3.5          Verhältnis zu anderen Ansprüchen des Verbrauchers

Der neue wettbewerbsrechtliche Schadensersatzanspruch soll nach der Gesetzesbegründung mit den eingangs kurz dargestellten allgemeinen BGB-Ansprüchen in Anspruchskonkurrenz stehen. Eine Anspruchskonkurrenz hat zur Folge, dass sich betroffene Verbraucher entscheiden können, ob sie den wettbewerbsrechtlichen Schadensersatzanspruch oder etwaige Ansprüche aus dem BGB geltend machen.

Durch die Anspruchskonkurrenz könnte ein gewisses Risiko bzw. Spannungsverhältnis dahingehend entstehen, dass die allgemeinen Voraussetzungen der BGB-Ansprüche umgangen bzw. ausgehebelt werden. Eine besondere Relevanz könnte hierbei dem Mängelgewährleistungsrecht bzw. dem Rücktrittsrecht zukommen. Während das BGB im Gewährleistungsrecht für den Verkäufer einer Sache grundsätzlich das Recht zur zweiten Andienung vorsieht, kennt der neue wettbewerbsrechtliche Schadensersatzanspruch eine solche Voraussetzung nicht. Wird nun ein Verbraucher über eine Eigenschaft einer Sache im Sinne des UWG getäuscht, könnte dies zur Folge haben, dass er mithilfe des § 9 Abs. 2 UWG – auch bei einem unerheblichen Verstoß – vom Vertrag zurücktreten könnte, während § 323 Abs. 5 S. 2 BGB einen Rücktritt bei unerheblichen Pflichtverletzungen grundsätzlich ausschließt.

Ferner könnten Spannungen zum Anfechtungsrecht entstehen. Wird ein Verbraucher in die Irre geführt bzw. getäuscht, setzt eine Loslösung vom Vertrag im Wege einer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nach § 123 BGB voraus, dass die Täuschung eine gewisse Schwelle überschritten hat. Hat eine Täuschungshandlung jedoch nicht die Schwelle der arglistigen Täuschung erreicht, könnte sich der Verbraucher nach § 9 Abs. 2 UWG im Wege der Naturalrestitution dennoch vom Vertrag lösen, wenn die Täuschungshandlung zugleich eine unzulässige geschäftliche Handlung im Sinne des § 9 Abs. 2 UWG darstellt. Schließlich setzt § 123 BGB auch Vorsatz voraus, während eine Vertragsauflösung im Wege der Naturalrestitution nach § 9 Abs. 2 UWG auch bei Fahrlässigkeit möglich sein würde.

 

  1. Auswirkungen des neuen Schadensersatzanspruchs

Abschließend stellt sich die Frage, welche Folgen bzw. Auswirkungen der neue Schadensersatzanspruch für Verbraucher und für Unternehmer in der Praxis haben wird.

Zunächst lässt sich feststellen, dass es begrüßenswert ist, dass Verbrauchern ein zusätzliches Instrument an die Hand gegeben wird, mit dem sie sich gegen wettbewerbswidrige Handlungen zur Wehr setzen können. Allerdings bleibt zu befürchten, dass der neue wettbewerbsrechtliche Schadensersatzanspruch von Verbrauchern kaum in Anspruch genommen werden wird. Diese Annahme folgt aus dem Umstand, dass die Schäden, die Verbrauchern durch wettbewerbswidrige Handlungen entstehen, regelmäßig sehr gering sind, so dass von einer Geltendmachung regelmäßig abgesehen wird.

Größere Bedeutung könnte der neue § 9 Abs. 2 UWG jedoch für Verbraucher erlangen, die sich im Wege der Naturalrestitution von einer vertraglichen Bindung lösen wollen, zu der sie mittels einer unzulässigen geschäftlichen Handlung veranlasst wurden.

Ob Unternehmen durch den neuen Schadensersatzanspruch einem nennenswerten zusätzlichem Risiko ausgesetzt werden, ist daher fraglich. Insbesondere ist es fraglich, ob die durch Rechtsbruch erlangten Wettbewerbsvorteile, also solche, die durch die bewusste Verletzung von wettbewerbsrechtlichen Regelungen erlangt werden, durch den neuen Schadensersatzanspruch eingedämmt werden.

Besondere Relevanz könnte der Schadensersatzanspruch des § 9 Abs. 2 UWG jedoch in Verbindung mit der für das Jahr 2023 geplanten Umsetzung der Richtlinie 2020/1828 haben. Im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie sollen sogenannte qualifizierte Einrichtungen dazu berechtigt werden, kollektive Leistungsklagen für geschädigte Verbraucher erheben zu dürfen. Dies könnte dazu führen, dass entsprechende Stellen bzw. Verbände gegenüber wettbewerbswidrig praktizierenden Unternehmen, in großem Umfang Schadensersatzansprüche – sei es auf geldwerten Schadensersatz oder auf die Loslösung vom Vertrag gerichtet – für Verbraucher durchsetzen.

Die Entwicklungen in diesem Zusammenhang bleiben abzuwarten.