Grundsätzlich steht jedem Verbraucher nach dem Willen des Gesetzgebers ein Widerrufsrecht zu, wenn ein Kaufvertrag außerhalb von Geschäftsräumen oder im Wege des Fernabsatzes – also beispielsweise über das Internet – geschlossen wurde. Jedoch sieht das Gesetz auch ein paar Ausnahmen vor, in denen das Widerrufsrecht ausgeschlossen ist. Einer dieser Ausnahmefälle liegt nach § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB vor, wenn versiegelte Waren geliefert werden, die aus Hygiene- oder Gesundheitsgründen nach Entfernung der Versiegelung nicht mehr zur Rückgabe geeignet sind. Die unpräzise Formulierung des gesetzlichen Wortlauts bringt jedoch sowohl für Händler als auch für Verbraucher erhebliche Unsicherheiten mit sich, auf die im folgenden Beitrag eingegangen wird.

Welche Produkte fallen unter die Regelung?

Entgegen dem Wortlaut umfasst die Regelung des § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB nicht nur Gesundheits- und Hygieneprodukte, sondern grundsätzlich alle Produkte, die aus Gründen der Gesundheits- oder Hygieneschutzes nach Entfernung der Versiegelung nicht zur Rückgabe geeignet sind. Dies ist zunächst der Fall, wenn ein gesetzliches Verbot der Weitergabe von entsiegelten Waren – wie beispielsweise bei Arzneimitteln oder Lebensmitteln – besteht. Soweit kein gesetzliches Verbot besteht, kann eine Rückgabe dennoch ausgeschlossen sein. Dies ist dann der Fall, wenn eine Weiterverwertung der Ware bei objektiver Betrachtung durch die Entsiegelung aus Gesundheits- oder Hygienegründen dauerhaft ausgeschlossen ist. Ein dauerhafter Ausschluss der Weiterverwertung liegt nicht vor, wenn die Ware gereinigt und erneut verkauft werden kann. Ebenso reicht es nicht aus, dass der Weitervertrieb für den Händler lediglich erschwert ist.

Nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 27.03.2019, Az.: C-681/17) greift die Ausnahme des § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB nur dann ein

 

wenn nach Entfernung der Versiegelung der Verpackung die darin enthaltene Ware aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder aus Hygienegründen endgültig nicht mehr verkehrsfähig ist, weil es für den Unternehmer wegen ihrer Beschaffenheit unmöglich oder übermäßig schwierig ist, Maßnahmen zu ergreifen, die sie wieder verkaufsfähig machen, ohne dass einem dieser Erfordernisse nicht genügt würde.

 

Zusammenfassend fallen Produkte bzw. Waren in den Anwendungsbereich des § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB, wenn

  • die Weitergabe der entsiegelter Waren gesetzlich verboten ist oder
  • der Weitervertrieb der entsiegelten Waren aus Gesundheits- und Hygienegründen dauerhaft ausgeschlossen ist, weil der Unternehmer (nach Rücksendung) keine Maßnahmen ergreifen kann, um die Ware wieder verkehrsfähig zu machen

Was ist eine Versiegelung?

Weitere Voraussetzung für den Ausschluss eines Widerrufrechts nach § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB ist, dass die Ware eine Versiegelung aufweist.

Eine Versiegelung erfüllt mehrere Funktionen. Zum einen soll diese dem Verbraucher verdeutlichen, dass die Ware original verpackt ist und zum anderen, dass durch die Entsiegelung eine endgültige Zueignung stattfindet. Insofern muss die Versiegelung geeignet sein, dem Verbraucher die Folgen der Entfernung vor Augen zu führen.

Die Anforderungen an eine Versiegelung sind daher nicht einheitlich. In diesem Zusammenhang ist zunächst ein Blick auf die Ware selbst zu werfen. Liegt eine Ware vor, bei der sich gesundheitliche oder hygienische Bedenken bei der Rückgabe quasi aufdrängen, kann eine einfache Plastik- bzw. Cellofanhülle als Versiegelung genügen. Ist die Unverwendbarkeit der Ware nach Entsiegelung und Rückgabe jedoch nicht ohne Weiteres erkennbar, so sind höhere Anforderungen an die Versiegelung zu stellen. In diesen Fällen muss die Versiegelung deutlich ausgestaltet sein und gegebenenfalls einen Hinweis auf die Folgen der Öffnung – beispielsweise in Form eines Aufklebers – enthalten.

Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass ein Online-Händler das Widerrufsrecht des Verbrauchers gemäß § 312k Abs. 1 S. 2 BGB nicht einfach durch Anbringung eines entsprechenden Warnhinweises ausschließen kann. So muss dem Verbraucher bei Waren, die im stationären Handel üblicherweise zu Probezwecken geöffnet werden können, auch bei Lieferung eine entsprechende Probe ermöglicht werden.

Rechtsprechung

Abschließend werden noch einige Beispiele aus der Rechtsprechung dargestellt, die den Ausschluss des Widerrufsrechts aus Gründen der Hygiene bzw. des Gesundheitsschutzes zum Gegenstand hatten.

Verneint wurde das Bestehen eines Widerrufsrechts von der Rechtsprechung beispielsweise bei

  • entsprechend versiegelten Arzneimitteln (OLG Naumburg, Urteil vom 22.06.2017, Az.: 9 U 19/17)
  • entsprechend versiegeltem Erotikspielzeug (OLG Hamm, 22.11.2016, Az.: 4 U 65/15)

Bejaht hat die Rechtsprechung ein Widerrufsrecht, bei

  • Matratzen, da diese durch Reinigung und Desinfektion ohne Weiteres wieder verkaufsfähig gemacht werden können (BGH, Urteil vom 03.07.2019, Az.: VIII ZR 194/16)
  • Bade- und Unterwäsche, da diese Waren im stationären Handel auch anprobiert werden können (BGH, Urteil vom 03.07.2019, Az.: VIII ZR 194/16)
  • WC-Sitzen, da diese ohne Weiteres gereinigt und desinfiziert werden können (LG Düsseldorf, Urteil vom 14.09.2016, Az.: 12 O 357/15)