Grundsätzlich besteht für jeden Käufer ein 14-tägiges Widerrufsrecht. Dieses gilt auch für online, telefonisch oder an der Wohnungstür geschlossene Verträge (Fernabsatzverträge). Der Gesetzgeber hat nach § 312 Abs.2 Nr. 1 BGB hierfür spezielle Ausnahmen vorgesehen, wie beispielsweise nach Kundenspezifikation angefertigte und speziell auf die persönlichen Bedürfnisse des Kunden zugeschnittene, sogenannte personalisierte Waren. Der europäische Gerichtshof (EuGH) konkretisierte diese Ausnahme, indem er nun entschied, dass das Widerrufsrecht auch dann nicht bestehe, wenn der Unternehmer noch nicht mit der Herstellung der Ware begonnen hat.
Nachdem bereits in den letzten Jahren mehrfach über Verträge bezüglich derartiger Waren entschieden worden ist, setzte sich nun auch der EuGH am 21.10. 2020 mit der Frage auseinander, inwiefern ein Fernabsatzvertrag widerrufen werden kann, wenn dieser über personalisierte Waren abgeschlossen wurde.
Im vorliegenden Fall ging es um eine Einbauküche, welche eine Kundin auf einer gewerblichen Messe gekauft hatte. Einige Teile dieser Küche sollten auf Wunsch dieser speziell angepasst werden. Das Möbelunternehmen plante ein anderes Unternehmen mit der Herstellung der Teile zu beauftragen, um sie dann aber selbst bei der Kundin einzubauen. Später widerrief die Käuferin den Vertrag noch bevor mit der Herstellung begonnen wurde und weigerte sich nun, die Küche abzunehmen. Daher erhob der Unternehmer eine Schadensersatzklage wegen Nichterfüllung durch die Kundin.
Das Amtsgericht Potsdam wendete sich mit der Frage an den EuGH, ob nach § 312g Abs.2 Nr. 1 BGB diese Ausnahme vom Widerrufsrecht auch dann bestehe, wenn die Firma noch nicht mit der Herstellung der Teile begonnen hatte. Der EuGH bejahte dies.
Art 9 bis 15 der Richtlinie 2011/83 folgend steht dem Verbraucher für „außerhalb von geschlossenen Geschäftsräumen“ abgeschlossene Verträge im Sinne von Art. 2 Nr. 8 VR-RL ein Widerrufsrecht grundsätzlich zu. Jedoch sieht Art. 16 dieser Richtlinie Ausnahmen dieses Rechts vor. Nach Art 16 Buchst. c VR-RL kann der Verbraucher sich nicht auf sein Widerrufsrecht für diejenigen Waren berufen, die nach Kundenspezifikation angefertigt werden oder eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind.
Insbesondere weise der Rechtsauffassung des EuGH folgend der Wortlaut von Art. 16 Buchst. c nicht darauf hin, dass die Ausnahme von dem hier geregelten Widerrufsrecht von irgendeinem Ereignis abhängt, das nach dem Abschluss derartiger Verträge eintritt, wie der Beginn der Leistung. Somit ist festzuhalten, dass keine Ausnahme des Widerrufsrechts für einen Fernabsatzvertrag über personalisierte Waren besteht. Es gilt unabhängig davon, ob der Unternehmer mit der Herstellung begonnen hat oder nicht.
Art. 16 Buchst. c der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates ist dahin auszulegen, dass die Ausnahme vom dort geregelten Widerrufsrecht einem Verbraucher, der außerhalb von Geschäftsräumen einen Kaufvertrag über eine Ware geschlossen hat, die nach seinen Spezifikationen herzustellen ist, unabhängig davon entgegengehalten werden kann, ob der Unternehmer mit deren Herstellung begonnen hat oder nicht.
Des Weiteren behandelte der EuGH die Frage, ob der Vertrag über die Einbauküche überhaupt außerhalb von Geschäftsräumen im Sinne des Art. 2 Nr. 8 der Richtlinie 2011/83 geschlossen wurde. Das Amtsgericht Potsdam hat noch zu prüfen, ob es sich tatsächlich um einen derartigen Vertrag handelt.
Der Auffassung des EuGH folgend könne ein auf einer gewerblichen Messe abgeschlossener Vertrag als ein außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag gesehen werden, sofern dieser direkt am Stand abgeschlossen wurde.
Zunächst ist festzuhalten, dass ein auf einer gewerblichen Messe geschlossener Vertrag als „außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossener Vertrag“ im Sinne von Art. 2 Nr. 8 der Richtlinie 2011/83 angesehen werden kann, wenn er nicht an einem Stand auf einer gewerblichen Messe geschlossen wurde; dieser könnte nämlich als „Geschäftsräume“ im Sinne von Art. 2 Nr. 9 der Richtlinie 2011/83 angesehen werden.
Da die Thematik des Widerrufrechts von Fernabsatzverträgen hinsichtlich personalisierter Waren von großer Bedeutung ist, berichteten wir bereits zuvor über die diesbezügliche Entscheidung des BGH.
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