In einem Berufungsverfahren gegen eine Entscheidung des LG Frankfurt (Oder) hat das OLG Brandenburg eine auf einer Abmahnung basierende Klage für rechtsmissbräuchlich und somit für unzulässig erklärt. Das Gericht erarbeitete mehrere Indizien, um zu bewerten, inwieweit die Klägerin sachfremde Interessen verfolge und so womöglich ihre prozessualen Befugnisse missbrauche. Die hierbei herangezogenen Indizien könnten sich möglicherweise in der künftigen Rechtsprechung zum Thema rechtsmissbräuchlicher Abmahnungen niederschlagen. Es lohnt sich daher eine genauere Betrachtung des Urteils.

Bereits die Abmahnung erfolgte nach Auffassung des Gerichts rechtsmissbräuchlich. Mehrere verschiedene Indizien sprächen dafür, dass die Abmahnung primär auf Zahlungsansprüche zu Gunsten der Klägerin und ihres Prozessbevollmächtigten abziele. Es gehe gerade nicht um die Abwehr unerwünschter Werbung. Die Motive der Klägerin seien damit sachfremd und nicht schutzwürdig. Dies verstoße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben aus § 242 BGB, welchen es auch im Verfahrensrecht zu wahren gelte.

In dem ursprünglichen Urteil des LG Frankfurt (Oder) erwirkte die Klägerin eine einstweilige Verfügung gegenüber der Beklagten zur Unterlassung des Zusendens unerwünschter Werbung. Die Beklagte hatte der Klägerin ohne deren Einwilligung Werbung per Telefax zugesendet. Daraufhin verlangte die Klägerin die Unterzeichnung einer strafbewährten Unterlassungserklärung, sowie eine Erstattung der Anwaltskosten bei einem Gegenstandswert von EUR 10.000,00. Die Vertragsstrafe war dabei auf EUR 5.001,00 festgesetzt.

In seinem Urteil vom 26.06.2020 stellte das OLG Brandenburg zunächst fest, dass eine rechtsmissbräuchlich erhobene Klage nicht nur unbegründet, sondern bereits unzulässig sei, da hierbei ein prozessuales Recht missbraucht werde. Zu dem Vorliegen einer rechtsmissbräuchlichen Klage führte das Gericht folgendes aus:

Rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig ist die Ausübung solcher Befugnisse, wenn sie nicht den gesetzlich vorgesehenen, sondern anderen, nicht notwendig unerlaubten, aber funktionsfremden und rechtlich zu missbilligenden Zwecken dient (vgl. BGH a.a.O.). […] Bei der Bewertung können die Umstände, die im Rahmen des § 8 Abs. 4 S. 1 UWG einen Rechtsmissbrauch begründen, herangezogen werden, allerdings sind die Anforderungen an die Annahme rechtsmissbräuchlicher Prozessführung in anderen Rechtsbereichen als dem des wettbewerbsrechtlichen Rechtsschutzes höher anzusetzen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 19.09.2007 – 11 W 48/07, Rn 8).

Bei der Bewertung, ob die Klage einem funktionsfremden und rechtlich zu missbilligendem Zweck dient, bedürfe es der Würdigung aller Umstände. Unter anderem relevant sei daher nicht nur das Verhalten der Klägerin während des Klageverfahrens, sondern auch das Vorgehen bei der Abmahnung selbst.

Im Zuge dieser Würdigung führte das OLG verschiedene Indizien an, welche auf eine rechtsmissbräuchliche Gesinnung der Klägerin schließen lassen.

Zunächst stellte das OLG auf die von der Klägerin überhöht festgesetzte Vertragsstrafe ab. Hinsichtlich der Zusendung eines einzelnen Telefaxes ließe sich ein angemessener Betrag von EUR 1.000,00 – 1.500,00 ermitteln. Die von der Beklagten geforderte Vertragsstrafe in Höhe von EUR 5.001,00 sei überzogen. Auch der von der Klägerin genannte Streitwert von EUR 10.000,00, aus welchem sich die Kosten des Anwalts berechnen, sei überhöht.

Als ein weiteres Indiz für ein überwiegendes Kostenbelastungsinteresse führt das Gericht eine in dem Abmahnschreiben der Klägerin enthaltene Formulierung an:

Auch der Hinweis der Klägerin im Abmahnschreiben betreffend die vorformulierte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung, „Nur diese strafbewehrte Erklärung kann den Unterlassungsanspruch erledigen“, weist darauf, dass das eigentliche Motiv für die Abmahnung in der Generierung von Kostenerstattungsansprüchen liegt.

Hinzukommend war das Abmahnschreiben textbausteinartig und abstrakt ausgestaltet und sei von der Klägerin nur an vereinzelten Stellen dem individuellen Vorwurf angepasst worden. Auch die Schriftgröße sei unangemessen klein. Daraus entstehe der Verdacht die Klägerin provoziere geradezu, dass der Inanspruchgenommene Wichtiges übersehe.

Das Urteil nennt einige weitere Anhaltspunkte für ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen der Klägerin. Unter anderem behauptete die Klägerin fälschlich, der Beklagte sei ihr unbekannt, obwohl sie bei diesem mehrfach Bestellungen getätigt hatte. Zudem wurde neben dem beklagten Unternehmen auch dessen Geschäftsführer und ein unbeteiligter Dritter, welchen die Klägerin fälschlicherweise ebenso als Geschäftsführer nannte, in Anspruch genommen. Hierin sei ein Versuch erkennbar, den Streitwert künstlich zu erhöhen.

Abschließend kam das OLG Brandenburg bezüglich der von der Klägerin verfolgten Interessen zu folgendem Schluss:

Aufgrund der Gesamtwürdigung aller dargelegten Umstände ist der Senat davon überzeugt, dass die Klägerin mit ihrem Vorgehen gegen die Beklagten vordringlich das Ziel verfolgt hat, Zahlungsansprüche zu ihren eigenen Gunsten bzw. denen ihres Prozessbevollmächtigten auf Kosten der Beklagten zu begründen.

Durch derartige sachfremde Motive missbrauche die Klägerin ihre prozessualen Befugnisse und sei folglich nicht schutzwürdig. Die Klage gelte es daher abzuweisen.