Das Landgericht Frankfurt am Main hat in einer aktuellen Entscheidung (Urteil vom 10.02.2016, Az. 2-06 O 344/15) für eine Klage auf Zahlung einer wettbewerbsrechtlichen Vertragsstrafe den sogenannten fliegenden Gerichtsstand gemäß § 14 Abs. 2 UWG bejaht. Die Entscheidung überrascht, da die Vertreter der gegenteiligen Auffassung sowohl in Rechtsprechung als auch Literatur bisher in der Überzahl waren.

In dem zugrunde liegenden Fall war die Beklagte von der Klägerin wegen eines Wettbewerbsverstoßes (unzulässige Streichpreise) in ihrem Online-Shop abgemahnt worden. Sie gab daraufhin eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Als sie einige Zeit später gegen diese Unterlassungserklärung verstieß, forderte die Klägerin die Zahlung einer Vertragsstrafe. Obwohl beide Parteien in Bayern ansässig sind, erhob die Klägerin die folgende Klage auf Zahlung der Vertragsstrafe am Landgericht Frankfurt am Main. Die Beklagte rügte die örtliche Zuständigkeit. Das Gericht sah sich dennoch gemäß § 14 Abs. 2 UWG als zuständig an.

Begründung des Gerichts: Bei einer solchen Klage auf Zahlung einer Vertragsstrafe handele es sich um eine Klage „auf Grund dieses Gesetzes“ im Sinne des § 14 Abs. 2 UWG. Mit dieser Auffassung weicht das LG Frankfurt von der überwiegenden Meinung sowohl in Rechtsprechung (etwa OLG Köln, Beschluss vom 05.06.2014, Az. 8 AR 68/14; OLG Rostock, Beschluss vom 15.01.2015, Az. 2 AR 1/13; LG Mannheim, Beschluss vom 02.08.2010, Az. 2 O 88/10; LG München I, Urteil vom 21.02.2007, Az. 21 O 10626/06) als auch Literatur (etwa Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Auflage 2016, § 29 Rn. 25 Vertragsstrafe; Köhler, UWG, 33. Auflage 2015, § 14 Rn. 4; ausführlich: Rieble, JZ 2009, 716) ab.

Die ausführliche Begründung des LG Frankfurt im Wortlaut:

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das Landgericht Frankfurt a.M. örtlich zuständig. Aus Kammersicht ist eine Klage auf Zahlung einer in einem Unterlassungs- und Verpflichtungsvertrag wegen eines dem Schuldner zur Last gelegten Verstoßes gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) übernommenen Vertragsstrafe eine Klage „auf Grund dieses Gesetzes“ i.S.d. § 14 UWG. Mit Blick darauf, dass die Beklagte den streitgegenständlichen Verstoß über das Internet begangen hat, besteht auf der Grundlage von § 14 Abs. 2 UWG auch für den Gerichtsbezirk Frankfurt a.M. eine örtliche Zuständigkeit.

1. Die Frage, inwiefern §§ 13 und/oder 14 UWG auch bei Geltendmachung eines Anspruchs auf Zahlung einer Vertragsstrafe gelten, die aus einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung resultiert, ist in Rechtsprechung und Literatur allerdings streitig und höchstrichterlich nicht geklärt. Der Bundesgerichtshof hat diese Frage bisher offen lassen können (vgl. zuletzt BGH (B.v. 26.08.2014 – X ARZ 275/14), juris, Leitsatz 3. i.V.m. Rn. 10; BGH (U.v. 15.12.2011 – l ZR 174/10) – Bauheizgerät, juris, Rn. 22 ff. m.w.N. zum Streitstand; siehe auch die Übersicht bei OLG Schleswig-Holstein (U.v. 09.04.2015 – 6 U 57/13) – Kaiserin der Heilpflanzen, juris, Rn. 19, LG Mannheim (B.v. 28.04.2015 – 2 O 46/15 – Zuständigkeit bei Vertragsstrafe, Leitsatz i.V.m. Rn. 6 ff.).

a) Die Vorschriften der §§ 13, 14 UWG lauten (Hervorh. durch das Gericht):

§ 13 Sachliche Zuständigkeit

(1) Für alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, mit denen ein Anspruch auf Grund dieses Gesetzes geltend gemacht wird, sind die Landgerichte ausschließlich zuständig. Es gilt § 95 Absatz 1 Nummer 5 des Gerichtsverfassungsgesetzes.

(2) Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung für die Bezirke mehrerer Landgerichte eines von ihnen als Gericht für Wettbewerbsstreitsachen zu bestimmen, wenn dies der Rechtspflege in Wettbewerbsstreitsachen, insbesondere der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, dienlich ist. Die Landesregierungen können die Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.

§ 14 Örtliche Zuständigkeit

(1) Für Klagen auf Grund dieses Gesetzes ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Beklagte seine gewerbliche oder selbständige berufliche Niederlassung oder in Ermangelung einer solchen seinen Wohnsitz hat. Hat der Beklagte auch keinen Wohnsitz, so ist sein inländischer Aufenthaltsort maßgeblich.

(2) Für Klagen auf Grund dieses Gesetzes ist außerdem nur das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist. Satz 1 gilt für Klagen, die von den nach § 8 Absatz 3 Nummer 2 bis 4 zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs Berechtigten erhoben werden, nur dann, wenn der Beklagte im Inland weder eine gewerbliche oder selbständige berufliche Niederlassung noch einen Wohnsitz hat.

b) Die Befürworter der wohl nach wie vor mehrheitlichen Ansicht gehen unter Hinweis auf den Wortlaut der §§ 13, 14 UWG davon aus, dass Vertragsstrafenansprüche aus Unterlassungsverpflichtungsverträgen von vorgenannten Normen – jedenfalls von § 14 UWG – nicht erfasst seien (vgl. z.B. OLG Köln (Vorlagebeschluss v. 05.06.2014 – 8 AR 68/14), juris, Rn. 5; Hess in: Ullmann, jurisPK-UWG, 3. Aufl. 2013, § 13 UWG Rn. 11, 19; Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl. 2015, § 14 Rn. 4). Zur Begründung führen sie an, eine Vertragsstrafenforderung werde nicht auf Grund des UWG, sondern aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung geltend gemacht, die – in Form eines abstrakten Schuldanerkenntnisses/-versprechens – gerade an die Stelle des gesetzlichen Unterlassungsanspruchs getreten sei (vgl. z.B. OLG Rostock (B.v. 15.01.2014 – 2 AR 1/13) – Vertragsstrafe, juris, Leitsatz 2 i.V.m. Rn. 7 ff (9 f.) m.w.N.; OLG Rostock (B.v. 07.12.2004 – 2 UH 4/04), GRUR-RR 2005, 176M Rieble in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2015, § 339 Rn. 543).

Eine Subsumtion von Vertragsstrafenforderungen unter o.a. Normen sei nicht geboten, weil es bei Vertragsstrafenklagen nicht um die Feststellung eines UWG-Verstoßes, sondern allgemeine Fragen des Vertragsrechts, insbesondere um die Auslegung der Vereinbarung, gehe (OLG Rostock – Vertragsstrafe, a.a.O., Rn. 12).

Soweit eine Anwendung von § 13 UWG auf Vertragsstrafenansprüche – mit Blick auf das Ergebnis und die Triftigkeit der gegnerischen Begründung – partiell auch von den Vertretern dieser Meinung für wünschenswert gehalten wird, wird sie (u.a.) mit der Begründung abgelehnt, wegen der identischen Formulierung („auf Grund dieses Gesetzes“) in §§ 13, 14 UWG müsste ansonsten auch § 14 UWG anwendbar sein, was mangels eines übertragbaren Rechtsgrundes unhaltbar sei (Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 10. Aufl. 2011, Kapitel 45 Rn. 5 f.).

c) Anderer Ansicht zufolge lassen sich Vertragsstrafenforderungen (jedenfalls) als „Anspruch auf Grund dieses Gesetzes“ i.S.d. § 13 Abs. 1 UWG verstehen, zumal die Ve?tragsstrafe in § 12 Abs. 1 S. 2 UWG zumindest Erwähnung gefunden habe (vgl. z.B. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht (U.v. 09.04.2015 – 6 U 57/13) – Kaiserin der Heilpflanzen, juris, Rn. 17 ff.; Thüringer Oberlandesgericht (U.v. 01.09.2010 – 2 U 330/10) – Vertragsstrafeforderung, Leitsatz i.V.m. Rn. 7 ff.; LG Mannheim (U.v. 28.04.2015 – 2 O 46/15) – Zuständigkeit bei Vertragsstrafe, juris, Rn. 10 ff. (17); Schmitt-Gaedke/Arz, WRP 2015, 1196, 1201 Rn. 42; Sosnitza in: Ohly/Sosnitza, UWG, 6. Aufl. 2014, § 13 Rn. 2; Goldbeck, WRP 2oo6, 37, 39 ff.). Das in der Gesetzesbegründung zu § 13 UWG zum Ausdruck gekommen Ziel des Gesetzgebers, die Amtsrichter mit einer streitwertunabhängigen, ausschließlichen Zuständigkeit der Landgerichte (bzw. Kammern für Handelssachen), bei denen streitwertbedingt die Mehrzahl der UWG-Sachen anfalle und bei denen der Sachverstand und das Erfahrungswissen versammelt seien, von dem mit einzelnen UWG-Sachen – insbesondere „kleinen Wettbewerbsverfahren“, bei denen es „nur“ um den Aufwendungsersatzanspruch hinsichtlich der Abmahnkosten gehe – verbundenen „unverhältnismäßigen“ Einarbeitungsaufwand zu entlasten (vgl. BT-Drucksache 15/1487, S. 36 zu § 13 UWG), gebiete eine sich auf Vertragsstrafenforderungen erstreckende Gesetzesauslegung. Hierdurch würde zudem der vom Gesetzgeber gewünschte inhaltlichen Gleichklang mit §§ 140 Abs. 1 MarkenG, 27 Abs. 1 GebrMG, 143 Abs. 1 PatG, 15 Abs. 1 GeschmG (jetzt DesignG) und 6 Abs. 1 UKlaG erreicht (vgl. insofern BT-Drucksache 15/1487, a.a.O.; Thüringer Oberlandesgericht – Vertragsstrafeforderung, a.a.O., Rn. 10; Goldbeck, WRP 2006, 37, 39 f.).

d) Die Kammer schließt sich (auch) für den Anwendungsbereich des § 14 UWG der letztgenannten Ansicht an (tendenziell ebenso LG Mannheim (B.v. 28.04.2015 – 2 O 46/15) – Zuständigkeit bei Vertragsstrafe, juris, Rn. 23 ff.).

aa) Die Vorschriften der §§ 13, 14 UWG sind wegen ihrer gleichlautenden Formulierung „auf Grund dieses Gesetzes“ einheitlich auszulegen (ebenso z.B. LG Mannheim (B.v. 28.04.2015 – 2 O 46/15) – Zuständigkeit bei Vertragsstrafe, juris, Rn. 23; Thüringer Oberlandesgericht – Vertragsstrafeforderung, a.a.O., Rn. 13; Teplitzky, a.a.O., Rn. 5; Schmitt-Gaedke/Arz, WRP 2015, 1196, 1201 Rn. 42; vgl. auch Deichfuß (X. Zivilsenat), jurisPR-WettbE 3/2011 Anm. 3).

Eine differenzierte Auslegung beider Vorschriften ist zunächst einmal nicht deshalb geboten, weil der Gesetzgeber mit der Einführung des § 13 UWG zwar eine Zuständigkeitskonzentration bei den Landgerichten schaffen wollte, diese Überlegung für die örtliche Zuständigkeit aber nicht verfängt (vgl. in diesem Zusammenhang auch Tepkitzky, a.a.O.).

Eine abweichende Auslegung ist auch nicht deshalb geboten, weil § 13 Abs. 1 UWG von der Geltendmachung eines Anspruchs („auf Grund dieses Gesetzes“) spricht, während § 14 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 UWG eine Regelung zu Klagen („auf Grund dieses Gesetzes“) treffen. Ein „Anspruch“ ist in § 194 Abs. 1 BGB legaldefiniert als das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen. Für Ansprüche kann von vornherein keine örtliche Zuständigkeit bestehen; eine solche ist nur für Klagen bzw. Rechtsstreitigkeiten, durch die bzw. mit denen ein Anspruch geltend gemacht wird, denkbar. Dafür, dass mit der abweichenden Wortwahl in §§ 13 Abs. 1, 14 UWG ein Bedeutungsunterschied verbunden wäre, fehlt jeder Hinweis.

bb) Die Formulierung „auf Grund diese Gesetzes“ in §§ 13, 14 UWG ist ihrem Wortlaut nach auch nicht zwingend so zu verstehen, dass darunter nur Ansprüche bzw. Klagen fallen, die unmittelbar auf eine Norm des UWG gestützt sind. Unter die Gesetzesfassung können ebenso gut Klagen/Ansprüche fallen, die ihre Grundlage nur mittelbar im UWG haben, wie insbesondere wettbewerblich begründeten Vertragsstrafenversprechen ist (ebenso Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht (U.v. 09.04.2015 – 6 U 57/13) – Kaiserin der Heilpflanzen, juris, Rn. 21 mit weiteren Ausführungen; LG Mannheim – Zuständigkeit bei Vertragsstrafe, a.a.O., Rn. 14).

Ausschließliche Zuständigkeitsvorschriften mögen mit Blick auf die grundgesetzlich verankerte Garantie des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG) zwar grundsätzlich eng auszulegen sein, dies bedingt aber nicht, sie ohne Rücksicht auf ihren Sinn und Zweck möglichst wortlautnah zu interpretieren (vgl. z.B. auch Thüringer Oberlandesgericht – Vertragsstrafeforderung, a.a.O., Rn. 15). Wie die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 143 PatG illustriert (s.u.), ist gerade bei Zuständigkeitsvorschriften ein am Normzweck orientiertes Verständnis geboten.

Gegen das Argument, der Wortlaut der Vorschriften hindere eine Subsumtion von Vertragsstrafenforderungen/-klagen unter §§ 13, 14 UWG, spricht ferner, dass §13 Abs. 2 UWG, wie oben wiedergegeben, eine Konzentrationsermächtigung vorsieht, die sich auf „Wettbewerbsstreitsachen“ bezieht. Für die Bezirke mehrerer Landgerichte kann gemäß § 13 Abs. 2 UWG ein Gericht für „Wettbewerbsstreitsachen“ bestimmt werden, insbesondere sofern dies der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dienlich ist. Der Begriff der „Wettbewerbsstreitsachen“ wird in diesem Kontext überwiegend weiter verstanden als die Formulierung eines Anspruchs bzw. einer Klage aufgrund des UWG. Ihm unterfallen nach wohl überwiegender Meinung auch Streitigkeiten aus Abmahnungen außerhalb des UWG, Vertragsstrafenforderungen sowie z.B. Schadenersatzansprüche gemäß § 945 ZPO. Für diese Streitigkeiten würde eine Gerichtsstandskonzentration auf Basis der Gegenansicht im Einzelfall unmittelbar zuständigkeitsbegründende Wirkung entfalten (vgl. z.B. Teplitzky, a.a.O., Rn. 7 f. m.w.N.).

Letzteres scheint bedenklich. Es leuchtet nicht ein, weshalb eine (bloße) Konzentration von „Wettbewerbsstreitsachen“ bei einzelnen Landgerichten eine den diesen Gerichten originär fehlende sachliche Zuständigkeit begründen können sollte. Nahe liegender ist die Annahme, dass das Gesetz im Rahmen der §§ 13, 14 UWG trotz uneinheitlicher Formulierungen dasselbe meint. Die Wendung „Klagen aufgrund dieses Gesetzes“ in § 14 UWG ist demnach einheitlich im Sinne von „Wettbewerbsstreitsachen“ zu verstehen. Hierunter fallen wiederum Streitigkeiten, bei denen sich spezifisch wettbewerbsrechtliche Fragen stellen.

Nur mit diesem Verständnis lässt sich Gleichlauf mit §§ 140 MarkenG, 52 DesignG, 143 PatG und 27 GebrMG herstellen. Diese knüpfen – aus Kammersicht folgerichtig – sowohl für die sachliche Zuständigkeit als auch für die Konzentrationsermächtigung an den Begriff der „Kennzeichenstreitsache“, „Designstreitsache“, „Patentstreitsache“ bzw. „Gebrauchsmusterstreitsache“ an (vgl. jeweils die ersten beiden Absätze; siehe ferner §§ 104, 105 UrhG). Diese Begriffe sind im jeweils ersten Absatz definiert als „Klagen, durch die ein Anspruch aus einem der in diesem Gesetz geregelten Rechtsverhältnisse geltend gemacht wird“.

Für vorgenannte Gesetze ist weithin anerkannt, dass Vertragsstrafenvereinbarungen den besonderen Zuständigkeitsregelungen unterfallen können (vgl. z.B. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht – Kaiserin der Heilpflanzen, a.a.O., Rn. 29; OLG Thüringen (U.v. 01.09.2010 – 2 U 330/10), juris, Rn. 11; OLG München (B.v. 25.03.2004 – 29 W 1046/04), Leitsatz i.V.m. Rn. 8; Thüringer Oberlandesgericht – Ve?tragsstrafeforderung, a.a.O., Rn. 11; LG Mannheim – Zuständigkeit bei Vertragsstrafe, a.a.O., Rn. 12 m.w.N.;. LG Göttingen (B.v. 29.07.2015 – 4 0159/15), Leitsatz i.V.m. Rn. 12; LG Bonn (U.v. 12.01.2010 ~ 11 O 13/09), juris, Rn. 78; Kaess in: Busse, PatG, 7. Aufl. 2012, § 143 Rn. 60). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist z.B. der Begriff der „Patentstreitsache“ in § 143 PatG grundsätzlich weit auszulegen. Zu den Patentstreitsachen zählen hiernach alle Klagen, die einen Anspruch auf eine Erfindung oder aus einer Erfindung zum Gegenstand haben oder sonst wie mit einer Erfindung eng verknüpft sind. Hierzu können insbesondere Klagen gehören, deren Anspruchsgrundlage sich aus einem Patent oder einer nicht geschützten Erfindung ergibt, sowie solche, deren Ansprüche auf einem Lizenz- oder sonstigem Verwertungsvertrag beruhen. Die Prozessökonomie und das Interesse der Parteien, ihren eigentlichen Streit verhandelt und entschieden zu wissen, gebieten es aus Sicht des Bundesgerichtshofs, eine Patentstreitsache anzunehmen, wenn vor- genannte Voraussetzungen hinreichend dargestellt und erkennbar werden. Daraus folge in der Praxis zu Recht eine entsprechend weite Auslegung des Begriffs der Patentstreitsache (vgl. BGH (U.v. 22.02.2011 – X ZB 4/09) – Patentstreitsache I, juris, Rn. 9; zu § 140 Abs. 1 MarkenG, siehe auch BGH (B.v. 04.03.2004 – l ZR 50/03), juris, Rn. 4; Strauß, WRP 2013, 1557, 1557 ff.).

Sowohl § 143 PatG als auch die übereinstimmend formulierten §§ 140 Abs. 1 MarkenG, 15 Abs. 1 GeschmG a.F./52 Abs. 1 DesinG und 27 Abs. 1 GebrMG sind aus Kammersicht deutlich enger gefasst als der Wortlaut der §§ 13, 14 UWG (aA ggf. OLG Rostock (B.v. 15.01.2014 – 2 AR 1/13), juris, Leitsatz 2 i.V.m. Rn. 11). Diesbezüglich ist nichts dafür ersichtlich, dass erstgenannte Vorschriften bewusst abweichend – insbesondere weiter – formuliert sind. Hierauf lassen insbesondere die §§ 19 c) MarkenG, 47 DesignG, 140 e) PatG, 24 e) GebrMG),103 UrhG, 37 e) SortschG nicht schließen. Diese Normen knüpfen zwar ebenfalls an die Erhebung einer „Klage auf Grund dieses Gesetzes“ an, sie legen jedoch fest unter welchen Voraussetzungen ein materiell-rechtlicher Anspruch auf Urteilsbekanntmachung besteht. Ob ein solcher – wofür gute Gründe sprechen – auch bei Verurteilungen zur Vertragsstrafenzahlung bestehen kann, kann dahinstehen. Denn zum einen sind §§ 13, 14 UWG nicht materiell-rechtlicher, sondern prozessualer Natur. Zum anderen spricht gegen eine Intention des Gesetzgebers zur Schaffung inhaltlich abweichender Zuständigkeitsbestimmungen, dass die in §§ 13, 14 UWG enthaltene Formulierung („aufgrund dieses Gesetzes“) bereits Bestandteil des UWG von 1909 war (siehe dort §§ 24, 27). Sie wurde – insoweit unverändert – Teil der (insofern) nach wie vor geltenden Neufassung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 03.07.2004 (vgl. BR-Drucksache 301/03 vom 09.05.2003, S. 54; BT-Drucksache 15/2795 vom 26.03.2004, S. 10 i.V.m. S. 22; BT-Drucksache 15/1487 vom 22.08.2003, S. 36). Die fehlende Wortlautidentität bildet angesichts dessen kein entscheidendes Argument für eine abweichende Auslegung. Dies gilt insbesondere im Lichte dessen, dass § 6 Abs. 1 UKlaG – mit dem der UWG-Gesetzgeber von 2004 ebenfalls Gleichlauf schaffen wollte – für „Klagen nach diesem Gesetz“ gilt (vgl. auch Goldbeck, WRP 2006, 37, 40).

dd) Es trifft auch nicht zu, dass sich die Frage nach der Verwirkung und/oder Höhe einer Vertragsstrafe ohne wettbewerbsrechtliche Spezialkenntnisse entscheiden ließen. Im Zusammenhang mit Vertragsstrafenklagen stellten sich vielfach spezifisch wettbewerbsrechtliche Fragen (siehe auch Schmitt-Gaedke/Arz, WRP 2015, 1196, 1200 Rn. 41; Deichfuß, jurisPR-WettbR 3/2011 Anm. 3, lit. D.), nicht zuletzt in Bezug auf die Reichweite der Unterlassungserklärung, die für gewöhnlich der Beseitigung einer durch einen UWG-Verstoß begründeten tatsächlichen Vermutung der Wiederholungsgefahr diene und sich daher prinzipiell auf kerngleiche Verstöße erstrecken muss (ebenso z.B. LG Mannheim – Zuständigkeit bei Vertragsstrafe, a.a.O., Rn. 20 f.). Auch kann z.B. die Überprüfung einer durch den Gläubiger nach „billigem“ Ermessen festgesetzten Vertragsstrafe besondere Sachkunde im Lauterkeitsrecht erfordern (vgl. auch Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht – Kaiserin der Heilpflanzen, a.a.O., Rn. 28; Thüringer Oberlandesgericht – Vertragsstrafeforderung, a.a.O., Rn. 12; Sosnitza in: Ohly/Sosnitza, UWG, 6. Aufl. 2014, § 13 Rn. 2; Goldbeck, WRP 2006, 37, 39).

ee) Konsequenz einer gegenteiligen Betrachtung wäre, dass verschiedene Ansprüche, die durch ein und denselben Wettbewerbsverstoß verursacht worden sind, oftmals nicht im Wege einer objektiven Klagenhäufung (§ 260 ZPO) bei den für Ansprüche gemäß §§ 8, 9, 12 Abs. 1 S. 2 UWG zuständigen Gerichten geltend gemacht werden könnten. Sie müssten – mit entsprechenden Kostenfolgen (Reisekosten sowie u.a. fehlende Gebührendegression) und behaftet mit dem Risiko inhaltlich divergierender Entscheidungen – im Einzelfall gesondert verfolgt werden (insbesondere, sofern man eine ausschließliche Zuständigkeit der Landgerichte negiert; vgl. auch Goldbeck, WRP 2006, 37, 40 f.).

Weder auf den Aspekt einer Geschäftsführung ohne Auftrag gestützte Ansprüche auf Erstattung der Kosten für ein Abschlussschreiben (siehe insofern Teplitzky, a.a.O., Rn. 5 a)) noch Annexansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung, die seit jeher über §§ 13, 14 UWG laufen, obschon sie gemäß §§ 242, 259 f. BGB gewohnheitsrechtlich anerkannt sind und nicht (unmittelbar) auf dem UWG basieren, könnten bei formaler Betrachtung vor den gemäß § 14 UWG örtlich zuständigen Gerichten geltend gemacht werden (in der Praxis werden die Kosten eines Abschlussschreibens allerdings meist – auf Basis der Gegenmeinung „indirekt zuständigkeitserweiternd“ – aus einer Analogie zu § 12 UWG abgeleitet, vgl. z.B. Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl. 2015, § 14 Rn. 4).

Dieses Ergebnis wäre schon deshalb fragwürdig, weil Klagen auf Zahlung einer durch einen zweiten oder mehrten UWG-Verstoß verwirkten Vertragsstrafe nicht selten mit Klagen auf Unterlassung, Abmahnkosten- und/oder einen weitergehenden Schadensersatz kombiniert werden. Dies illustriert nicht zuletzt der hier gegenständliche Fall, in dem die Klägerin zunächst neben einer Vertragsstrafe auch die Abmahnkosten eingeklagt hat.

Hinzu kommt, dass eine Vertragsstrafe – jedenfalls soweit lnteressenidentität besteht – gemäß § 340 BGB auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen ist (BGH (U.v. 08.05.2008 – l ZR 88/06) – Vertragsstrafeneinforderung, Leitsatz i.V.m. Rn. 9). Letzteres wäre bei Geltendmachung beider Ansprüche vor verschiedenen Gerichten (ggf. sogar in unterschiedlichen Ländern, siehe insofern z.B. vgl. z.B. LG München l (U.v. 21.02.2007 – 21 O 10626/06), juris, Rn. 17, Zuständigkeit eines Gericht in Liechtenstein i.F.e. urheberrechtlich verursachten Vertragsstrafenvereinbarung) kaum praktikabel, könnte jedenfalls zu erheblichen Verfahrensverzögerungen führen.

Eine Alleinzuständigkeit der Landgericht für durch eine wettbewerbliche Abmahnung begründete Vertragsstrafenversprechen würde außerdem die gängige Praxis entbehrlich machen, eine die Zuständigkeit der Landgerichte begründende Vertragsstrafe von mehr als € 5.000,00 zu vereinbaren, die der Bundesgerichtshof schon einmal als eines (von mehreren) Indizien für die Intention eines Rechtsmissbrauchs erachtet hat (vgl. BGH (U.v. 15.12.2011 – l ZR 174/10) – Bauheizgerät, juris, Rn. 21).

Dass die isolierte Geltendmachung einer Vertragsstrafe am deliktischen Gerichtsstand für den Unterlassungsschuldner mit Nachteilen verbunden sein mag, ist kein Spezifikum der Vertragsstrafenklage, sondern dem sog. fliegenden Gerichtsstand immanent, den der Gesetzgeber im Anwendungsbereich des UWG trotz kritischer Stimmen nicht abgeschafft hat (siehe insofern auch LG Mannheim – Zuständigkeit bei Vertragsstrafe, a.a.O., Rn. 24).

LG Frankfurt a. M. (Urteil vom 10.02.2016, Az. 2-06 O 344/15)