Der Gesetzgeber möchte das private Baurecht reformieren. Nebenbei greift er dabei auch in allgemeine Gewährleistungsregelungen ein, sodass von der Neuregelung auch Händler außerhalb des klassischen Baurechts betroffen sind. Auf Versandhändler, die Waren verkaufen, die zum festen Einbau bestimmt sind (etwa Fliesen, Bodenbeläge, Einbaumöbel), könnten künftig erhebliche Mehrkosten zukommen.
(Ein Beitrag unseres studentischen Mitarbeiters Korbinian Zellner)
Bisherige Regelung
Der Käufer einer mangelhaften Sache hat die in den §§ 437 ff. BGB geregelten Gewährleistungsrechte, beispielsweise das Recht auf Nacherfüllung oder Minderung. § 439 Abs. 2 BGB bestimmt, dass der Verkäufer im Fall der Nacherfüllung (etwa der Lieferung einer neuen, maneglfreien Sache) auch die Aufwendungen des Käufers für beispielsweise Transport und Material tragen muss. Nicht ausdrücklich geregelt war bisher, wer für die Kosten des Ausbaus mangelhafter Waren aufkommen muss, die bestimmungsgemäß fest verbaut werden, zum Beispiel bei Bodenfließen. Diese Frage wurde dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) deshalb im Jahr 2011 von deutschen Gerichten vorgelegt.
Der EuGH (Urteil v. 16.06.2011, Rs. C-65/09 und Rs. C-87/09) entschied, dass Händler im Gewährleistungsfall entweder selbst den Ausbau vorzunehmen und die als Ersatz gelieferte Sache einzubauen haben, oder die Kosten für den Aus- und Wiedereinbau tragen müssen. In der Begründung stütze sich der EuGH dabei maßgeblich auf Art. 3 Abs. 2 und 3 der Verbrauchsgüterkaufs-Richtlinie (RL 1999/44/EG).
Durch die Anwendung der Richtlinie war klar, dass diese Rechtsprechung nur anwendbar war, wenn Verbraucher betroffen waren. Folgerichtig wendete der BGH (U. v. 21.12.2011, VIII ZR 70/08) die Rechtsprechung des EuGH an, wenn Verbraucher betroffen waren. Soweit der Käufer Unternehmer war, verpflichtete der BGH (U. v. 17.10.2012, VIII ZR 226/11) den Käufer oben genannte Kosten selbst zu tragen, da die Richtlinie im Falle eines Unternehmerkaufs eben nicht anzuwenden sei.
Neuerungen
Mit dem neuen Gesetzesentwurf der Bundesregierung soll diese Thematik nun auch gesetzlich geregelt werden. Hiernach wird das Recht der Mängelhaftung grundsätzlich an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs angepasst. Zusätzlich wird die Pflicht zur Tragung der Kosten für den Ein- und Ausbau von bestimmungsgemäß eingebauten Sachen auch auf Unternehmerverträge erweitert. Entscheidet sich der Verkäufer im Zuge der oben genannten Wahlmöglichkeit dazu die Kosten für die Wiederherstellung des veränderten Zustands zu ersetzen, ermöglicht der Gesetzesentwurf es dem Käufer, einen Vorschuss für diese Aufwendungen zu verlangen.
Zum Ausgleich will der Gesetzgeber auch den Händler schützen, indem er ihm einen Regressanspruch gegen den Lieferanten einräumt. Sofern es sich bei beiden Vertragspartnern um Kaufleute handelt, greift dieser Rückgriff jedoch nur eingeschränkt. Dies macht der Gesetzesentwurf durch einen Hinweis auf die Unberührtheit des §377 HGB deutlich. Nach dieser Norm besteht eine Regressmöglichkeit beim Lieferanten nur dann, wenn die Ware bei ihrer Lieferung sofort auf Mängel untersucht wird und dabei gefundene Mängel unmittelbar angezeigt werden. Eine Ausnahme hiervon ist nur dann denkbar, wenn der Mangel in einem solchen Maße versteckt war, dass er bei einer Untersuchung nicht entdeckt werden konnte.
Diese Neuregelung stellt zusätzlich klar, dass eine Übertragung der Haftungspflicht durch AGB nicht rechtmäßig ist.
Hintergrund des Gesetzesentwurfs
Diesen Bruch mit den Vorgaben des EuGH begründet die Bundesregierung wie folgt:
Die aktuelle Rechtslage benachteilige Handwerker und Bauunternehmer, da diese häufig auf den, Kosten des Ein- und Ausbaus sitzen bleiben würden. Besonders hohe Aus- und Einbaukosten können entstehen, wenn Materialien an schwer zugänglichen Stellen verbaut wurden oder verwendete Kleinteile von geringem Wert wegen Mängeln ausgetauscht werden müssen. Diese Kosten würden dann schnell die vereinbarte Vergütung des Bauunternehmers überschreiten können. Von dem Verkäufer des Baumaterials könne der Werkunternehmer nach geltendem Recht häufig nur die Lieferung einer neuen Kaufsache verlangen. Die Kosten für den Ausbau und den erneuten Einbau der mangelfreien Sache müsse er selbst tragen, wenn die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs mangels eines Verschuldens des Verkäufers nicht vorliegen würden. In solchen und ähnlichen Fällen solle der Gesetzesentwurf Handwerker und andere Unternehmer nun besser schützen.
Fazit
Durch den Gesetzesentwurf würde die Bundesregierung eine Erweiterung der Entscheidung des EuGH von 2011 über die Richtlinie hinaus vornehmen. Dies verfolgt den Grundgedanken, Unternehmen und Handwerker im Gewährleistungsfall besser zu schützen. Allerdings erscheint der zum Ausgleich für die Haftungserweiterung, auf Unternehmensverträge, gewährte Regressanspruch als unverhältnismäßig.
Der Gesetzesentwurf der Bundesrepublik ist deshalb auf starke Kritik gestoßen. Viele Stimmen hoffen darauf, dass sich die gesetzliche Regelung auf Verträge mit Verbrauchern beschränkt (wie auch durch den EuGH) und nicht auf Verträge mit Unternehmer erweitert wird. Teilweise wird der Gesetzesentwurf sogar als „schlechte Arbeit des modernen Gesetzgebers“ betitelt.
Im Ergebnis ist den Kritikern zuzustimmen. Die Rechtfertigung der Bundesregierung erscheint fehlerhaft. Es wird versucht, die vorgenommene Haftungserweiterung von Händlern durch einen Regressanspruch auszugleichen. Aufgrund der lediglich beschränkten Regressmöglichkeit für Händler bewirkt der Gesetzesentwurf jedoch nur die Verlagerung der Kostentragung für Ein- und Ausbau defekter Ware im Gewährleistungsfall auf die Händler. Es ist demnach darauf zu hoffen, dass der Gesetzesentwurf doch noch an die Entscheidung des EuGH von 2011 angepasst wird.
Es bleibt hierbei abzuwarten wie mit diesem Gesetzesentwurf weiter verfahren wird, wobei wir über neue Entwicklungen berichten werden.
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