In einem aktuellen Urteil hat der BGH entschieden, dass unter bestimmten Voraussetzungen der urheberrechtliche Unterlassungsanspruch nicht nur auf die tatsächlich verletzten Schutzrechte zu beschränken ist, sondern sich darüber hinaus auch auf noch nicht verletzte (im Kern aber gleichartige) Schutzrechte erstrecken kann (Restwertbörse II – Urteil vom 20.06.2012, Az I ZR 55/12).
In den Worten des BGH heisst das
Die Verletzung eines bestimmten Schutzrechts (hier des Rechts nach § 72 Abs. 1UrhG an einem Lichtbild) kann die Vermutung der Wiederholungsgefahr (§ 97Abs. 1 Satz 1 UrhG) nicht nur für Verletzungen desselben Schutzrechts, sondern auch für Verletzungen anderer Schutzrechte (hier der Rechte nach § 72 Abs. 1 UrhG an anderen Lichtbildern) begründen, soweit die Verletzungshandlungen trotz Verschiedenheit der Schutzrechte im Kern gleichartig sind.
Er (der Kläger) kann von der Beklagten gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1, §§ 72, 15 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, § 19a UrhG beanspruchen, es zu unterlassen, die 34 Lichtbilder des Gutachtens künftig ohne seine ausdrückliche Einwilligung im Internet öffentlich zugänglich zu machen.
Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Schadensersatz können – soweit Wiederholungsgefahr gegeben ist – über die konkrete Verletzungshandlung hinaus für Handlungen gegeben sein, in denen das Charakteristische der Verletzungshandlung zum Ausdruck kommt (vgl. BGH, Urteil vom 23. Februar 2006 – I ZR 27/03, BGHZ 166, 233 Rn. 36 – Parfümtestkäufe, mwN). Dies hat seinen Grund darin, dass eine Verletzungshandlung die Vermutung der Wiederholungsgefahr nicht nur für die identische Verletzungsform, sondern für alle im Kern gleichartigen Verletzungshandlungen begründet (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 5. Oktober 2010 – I ZR 46/09, GRUR 2011, 433 Rn. 26 = WRP 2011, 576 – Verbotsantrag bei Telefonwerbung, mwN).
Die Entscheidung ist u.E. richtig. Aus unserer Praxis sind uns verschiedene Fälle bekannt, bei denen ein Online-Shop sich gleich bei einer Vielzahl (teilweise Hunderte) von Bildern eines direkten Mitbewerbers mit vergleichbarem Sortiment bedient hat. Manchmal ist sogar davon auszugehen, dass nicht sämtliche Verletzungen aufgedeckt werden können. Dass sich der Verletzer in solchen Konstellationen im Rahmen seiner Unterlassungserklärung nur auf die tatsächlich entdeckten Bildrechtsverletzungen beschränken dürfte, wäre wohl realitätsfremd und nicht sachgerecht. Allerdings kann ich nicht nachvollziehen, weshalb der BGH hier das Institut des kerngleichen Verstosses bemüht und nicht die früher von ihm geschaffenen Instrumente des generellen bzw. des vorbeugenden Unterlassungsanspruchs.
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