Die nächste Änderung der Vorschriften zum Widerrufsrecht im Fernabsatz ließ nicht lange auf sich warten. Nachdem die letzte Änderung erst zum 11.06.2010 erfolgte, sollen die Vorschriften laut einem aktuellen Gesetzentwurf der Bundesregierung ein weiteres Mal modifiziert werden. Hintergrund ist die Rechtsprechung des EuGH zur Wertersatzpflicht (siehe auch hier). Wann die Änderungen in Kraft treten, ist noch offen.

Der EuGH hatte mit Urteil vom 03.09.2009 (Rs. C-489/07) entschieden, dass eine generelle Wertersatzpflicht nicht mit europäischem Recht vereinbar ist. Wertersatz könne nur verlangt werden, wenn der Verbraucher sich treuwidrig verhält. Die Beurteilung, wann das im Einzelnen der Fall sein soll, überließ der EuGH den deutschen Gerichten. Der Gesetzgeber will der daraus resultierenden Rechtsunsicherheit mit den geplanten Neuregelungen nun begegnen.

Ziel der Neufassung ist, den Fernabsatzhandel insgesamt zu stärken. So sollen einerseits Verbraucher ihr Widerrufsrecht effektiv ausüben können und andererseits Unternehmer vor übermäßigen Belastungen (Stichwort: Leihhaus Internet) geschützt werden. Verbraucher sollen demnach Wertersatz für gezogene Nutzungen, wie beispielsweise Gebrauchsvorteile, und für die Verschlechterung der Ware nur leisten, soweit sie die Ware in einer Art und Weise genutzt haben, die über die Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsweise der Ware hinausgeht. Den Vorgaben des EuGH soll damit entsprochen werden.

Kernstück der Gesetzesänderungen wird ein komplett neuer § 312e BGB. Dieser regelt, dass Wertersatz vom Verbraucher nur verlangt werden kann,

1. soweit er die Ware in einer Art und Weise genutzt hat, die über die Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsweise hinausgeht, und

2. wenn er zuvor vom Unternehmer auf diese Rechtsfolge hingewiesen und entsprechend § 360 Absatz 1 oder 2 über sein Widerrufs- oder Rückgaberecht belehrt worden ist oder von beidem anderweitig Kenntnis erlangt hat.

Auch § 357 Abs. 3 BGB, der bereits jetzt die Wertersatzpflicht regelt, soll ähnlich lautend neu gefasst werden. Ebenso soll die Muster-Widerrufsbelehrung, die durch die Aufnahme ins EGBGB nun Gesetzesrang hat, angepasst werden. Besonders hervorzuheben sind die Änderungen der Gestaltungshinweise 8 und 9:

(8) [Für die Verschlechterung der Sache müssen Sie Wertersatz nur leisten, soweit die Verschlechterung auf einen Umgang mit der Sache zurückzuführen ist, der über die Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsweise hinausgeht.

(9) Unter „Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsweise“ versteht man das Testen und Ausprobieren der jeweiligen Ware, wie es etwa im Ladengeschäft möglich und üblich ist.

Sollte das Gesetz so in Kraft treten, wird es auch eine dreimonatige Übergangsregelung geben, so dass die derzeit geltenden Musterbelehrungstexte weiter verwendet werden können, ohne dass Abmahnungen zu befürchten wären.

Obwohl die Gesetzesänderungen sowohl auf der Verbraucher- als auch auf der Unternehmerseite mehr Rechtssicherheit mit sich bringen, so wird es künftig für Unternehmer schwieriger, einen Wertersatzanspruch tatsächlich geltend zu machen. Konsequenz dieser Neuregelungen ist nämlich die Neuverteilung der Beweislast, d.h. der Händler muss nunmehr beweisen, dass die Ingebrauchnahme der Sache durch den Kunden über eine bloße Prüfung hinaus ging. Sobald die Wertersatzausfälle spürbar zu Buche schlagen, könnten am Ende Preiserhöhungen die Folge sein, die wiederum der Verbraucher zu tragen hätte.