Viele Onlinehändler beschränken ihr Liefergebiet auf Deutschland oder eine kleine Auswahl an anderen Ländern – vor allem, um von vornherein Unsicherheiten bei der Anwendung fremden Rechts aus dem Weg zu gehen. Nach dem Willen einiger Abgeordneter des Europäischen Parlaments soll jedoch die Möglichkeit einer solchen Beschränkung im Hinblick auf EU-Mitgliedstaaten bald der Vergangenheit angehören. Gemäß einem Entwurf für die neue Verbraucherrechte-Richtlinie könnte die Lieferpflicht in sämtliche 27 EU-Mitgliedsländer bald festgeschrieben sein. Bedeutet dieser Entwurf das Aus für kleine Onlineshops oder handelt es sich nur um unbegründete Panikmache? Der Kollege Dr. Carsten Föhlisch vom Shopbetreiber-Blog setzt sich in einem aktuellen Beitrag mit dieser Problematik auseinander.

Entscheidend ist Art. 22a des Entwurfs der Richtlinie:

Im Falle eines Vertragsabschlusses im Fernabsatz ist der Verbraucher berechtigt, vom Händler zu verlangen, die Lieferung der Ware bzw. die Erbringung der Dienstleistung in einen anderen Mitgliedstaat zu verlangen. Der Händler muss das Verlangen des Kunden erfüllen, wenn dies technisch durchführbar ist und wenn der Verbraucher zustimmt, alle für die Erfüllung notwendigen Kosten zu tragen. Der Händler muss den Verbraucher über diese Kosten vorab informieren.

Was aus dem Wortlaut zunächst eindeutig hervorgeht, ist, dass keine Anfragen von EU-Bürgern abgelehnt werden sollen, vorbehaltlich technischer Durchführbarkeit. Fraglich ist nur, wie dieser Begriff zu verstehen ist. Zutreffend stellt Dr. Föhlisch heraus, dass zumindest die Lieferung kleinerer Waren selbst ins entfernte EU-Ausland regelmäßig nicht wegen mangelnder technischer Durchführbarkeit abgelehnt werden kann.

Die eigentliche Crux an diesem Entwurf ist jedoch die Folgeproblematik, welches Recht anwendbar ist, sofern ein grenzüberschreitender Vertrag mit einem Verbraucher im EU-Ausland zustande gekommen ist. Es stellt sich also die Frage, ob statt des deutschen Rechts möglicherweise das Heimatrecht des EU-Bürgers anwendbar ist und ob dieser in seinem Heimatland Klage erheben kann. Entscheidend hierfür ist die Ausrichtung des Onlineshops auf einen Mitgliedstaat. Ein sehr starkes Indiz für eine Ausrichtung auf ein bestimmtes Mitgliedsland ist, wenn der Shop (auch) in der jeweiligen Landessprache verfügbar ist. Laut EuGH ist ein Shop auch dann auf ein Mitgliedsland ausgerichtet, wenn der Verbraucher im Bestellvorgang sein Land aus einer Drop-Down-Box auswählen kann und für sein Land besondere Versandkosten aufgeführt sind.

Die zentrale Frage ist nunmehr, ob sich aus dem geplanten Art. 22a eine Pflicht für Onlinehändler ergibt, ihren Shop auf alle 27 EU-Staaten „auszurichten“. Föhlisch verneint dies mit gewichtigen Argumenten. Zutreffend verweist er darauf, dass der Wortlaut eine solche Pflicht gerade nicht vorschreibt. Zudem komme in der Begrenzung des Liefergebiets durch den Händler nicht zwingend dessen Verweigerung zum Ausdruck, in das gesamte EU-Gebiet zu liefern. Folgt man dieser Ansicht, hätten Onlinehändler im Bestellsystem ihre Länderauswahl gerade nicht auf alle 27 EU-Mitgliedstaaten auszuweiten oder gar 27 verschiedene Bestellsysteme einzurichten. Die BEfürchtungen vieler Shopbetreiber wären damit unbegründet.

Auch wenn man nicht von einer Pflicht zur Ausrichtung auf alle 27 Staaten ausgeht, wonach es derzeit aussieht, so regt sich unter den Händlern dennoch erbitterter Protest. Nicht ganz zu Unrecht befürchten sie, durch die Richtlinie könne ihnen vorgeschrieben werden, mit wem sie zu kontrahieren hätten. Überspitzt formuliert würde dies das Ende der Privatautonomie im Onlinehandel bedeuten. Da sich aber die Richtlinie aktuell noch im Entwurfsstadium befindet, ist zweifelhaft, ob sie überhaupt in dieser Form erlassen wird. Deshalb ist zunächst einmal Gelassenheit angebracht. Wie weit der Entwurf nach der Vorstellung der EU-Parlamentarier tatsächlich reichen soll, wird hoffentlich in der für den 23.03.2011 angesetzten Aussprache deutlich werden.