Vielen Markenherstellern ist der Vertrieb ihrer Produkte über Plattformen wie Amazon oder eBay ein Dorn im Auge. Gerade bei hochwertigen Produkten besteht die Gefahr, dass diese über solche Plattformen unverhältnismäßig günstig angeboten werden. Viele Versuche den Online-Handel einzuschränken sind bislang gescheitert. Das OLG Frankfurt hat jetzt in einem bestimmten Fall ein Vertriebsverbot über Amazon für zulässig erklärt.

1. Das selektive Vertriebssystem

Oftmals kommt es auf Plattformen wie Amazon zu starken Preisreduzierungen. Ein Grund dafür ist, dass konkurrierende Händler versuchen das günstigste Angebot bereitzustellen und sich zu diesem Zweck gegenseitig unterbieten. Es ist deshalb keine Seltenheit, dass man Produkte über Amazon deutlich günstiger erwerben kann, als es vom Hersteller ursprünglich beabsichtigt war. Für Markenware besteht die Gefahr zu Ramschware zu werden (und die Margen der Hersteller und Händler sinken).

Um den Vertrieb ihrer Produkte über solche Plattformen rechtskonform zu umgehen, bemühen sich viele Hersteller ein „selektives Vertriebssystem“ zu errichten. Den nur innerhalb selektiver Vertriebsnetze sind Einschränkungen gegenüber den Händlern zulässig. Ein solches liegt dann vor, wenn die Waren der Hersteller nur noch über ausgewählte Händler vertrieben werden. Diese Händler wiederum werden verpflichtet, bestimmte Vorgaben, z. B. Vertriebsverbote, zu beachten.  In der Praxis ist der Betrieb eines „echten“ selektiven Vertriebssystems jedoch sehr aufwendig. Sie sind deshalb in der Unterzahl.

Eines der wenigen Beispiele für ein selektives Vertriebssystem sind Produkte von Tupper-Ware. Diese werden ausschließlich von Vertretern vor Ort verkauft und sind auf anderen Wegen nicht erhältlich.

2. Rechtlicher Hintergrund

Grundsätzlich ist ein selektives Vertriebssystem zulässig, wenn es

  • zur Wahrung der Qualität und des richtigen Gebrauchs der Waren erforderlich ist,
  • einheitlich und diskriminierungsfrei angewendet wird und
  • nicht über das erforderliche Maß hinausgeht.

Wann ein selektives Vertriebsnetz unzulässig ist, richtet sich nach § 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) sowie Art. 101 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Danach sind Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, verboten.

3. Bisherige Versuche den Online-Handel einzuschränken

Einige Hersteller sind bereits bei dem Versuch, ein selektives Vertriebssystem einzuführen, gescheitert.

a) Adidas

Im Jahr 2012 bemühte sich die Firma Adidas ein rein selektives Vertriebssystem zu errichten. Die aus diesem Grund von Adidas eingeführten e-Commerce Bedingungen enthielten, unter anderem, ein weitreichendes Verkaufsverbot über die großen Online-Marktplätze eBay und Amazon-Marketplace, aber auch andere Plattformen (z.B. Hitmeister.de und meinPaket.de).

Dagegen beschwerten sich zahlreiche Sportfachhändler, weswegen das Bundeskartellamt ein Verfahren einleitete. Noch während des Verfahrens beugte sich Adidas und änderte seine Internet-Vertriebsbedingungen kartellrechtskonform ab (Meldung des Bundeskartellamts vom 02.07.2014).

Über den Streit zwischen Adidas und dem Bundeskartellamt haben wir bereits einen Artikel veröffentlicht.

b) Asics

Auch die Firma Asics untersagte Händlern die Teilnahme bei Online-Marktplätzen, wie eBay oder Amazon, ohne Ausnahme. Zudem verweigerte Asics seinen Händlern die Unterstützung von Preisvergleichsmaschinen. Hierin sah das Bundeskartellamt eine unzulässige Kernbeschränkung (Meldung des Bundeskartellamts vom 28.04.2014) und teilte diese Bedenken Asics mit.

Genau wie Adidas änderte auch Asics daraufhin die beanstandeten Vertriebsklauseln ab.

c) Scout

Die Firma Scout machte die Belieferung ihrer Händler davon abhängig, ob dieser sie über eBay, oder gleichartige Auktionsplattformen anbietet und verkauft. Dagegen erhob ein Händler Klage vor dem KG Berlin. Das Gericht gab dieser Klage mit Urteil vom 29.09.2013 (Az. 2 U 8/09) statt. Scout wurde zur Unterlassung verurteilt.

4. OLG Frankfurt (22.12.2015, 11 U 84/14)

Im nun entschiedenen Fall ging es darum, dass der Rucksackhersteller Deuter seinen Vertragshändlern verboten hatte, seine Produkte über Amazon zu vertreiben. Das LG Frankfurt (Urteil vom 18.06.2014, Az: 2-03 O 158/13) sah in diesem Verbot noch eine unzulässige Einschränkung. Hiergegen ging die Firma Deuter erfolgreich in Berufung.

Laut OLG dürfe ein Hersteller von Markenprodukten grundsätzlich in einem sogenannten selektiven Vertriebssystem zum Schutz der Marke steuern, unter welchen Bedingungen seine Markenprodukte weiter vertrieben werden. Bei dem Verbot des Vertriebs über die Internetplattform Amazon überwiege das Interesse des Herstellers an einer qualitativ hochwertigen Beratung sowie der Signalisierung einer hohen Produktqualität der Marke. Im Gegensatz zu Preissuchmaschinen erscheine bei Amazon auch bei Händlershops das Produktangebot als ein solches von Amazon und nicht als ein solches des Fachhändlers. Dem Hersteller werde damit ein Händler untergeschoben, mit dem der Hersteller keine Vertragsbeziehungen und keinen Einfluss habe.

Die Tatsache, dass der Vertrieb über Amazon-Marketplace für kleine Händler die Wahrnehmbarkeit und Auffindbarkeit erheblich erhöhe, stehe dem nicht entgegen. Der Hersteller könne nicht zu einer aktiven Förderung des Wettbewerbs kleiner und mittlerer Unternehmen im Internethandel durch die Zulassung eines Verkaufs über Amazon verpflichtet werden.

Das Urteil des Frankfurter Gerichtes ist bisher nicht rechtskräftig. Es kann mit der Revision zum Bundesgerichtshof angegriffen werden.

5. Fazit

Auch nach der Entscheidung des OLG bleibt die Rechtslage unklar. Viele Hersteller haben sich bereits auf das Vorliegen eines selektiven Vertriebssystems berufen, die Voraussetzungen hierfür wurden jedoch nur teilweise bejaht. Wann die Voraussetzungen vorliegen und wann nicht bleibt weiterhin fraglich. Es scheint jedoch, dass je detaillierter die Einschränkungen sind und je konsequenter sie umgesetzt werden, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Rechtsprechung Einschränkungen der Vertriebskanäle akzeptiert.