Online-Shops sind mitunter fehleranfällig. So kann es passieren, dass beim Einspielen neuer Artikel und Preislisten völlig falsche (meistens viel zu günstige) Preise übernommen werden. Oft sind dann die ersten Bestellungen schneller da, als der Händler den Fehler überhaupt bemerkt. Das LG München I bestätigte nun die bestehende Rechtsprechung: Ein Käufer, der offensichtliche Preisfehler ausnutzt, handelt treuwidrig. Der Verkäufer muss sich an den falschen Preisen nicht festhalten lassen.

Durch das komplizierte Zusammenspiel verschiedener Systeme, etwa für Warenwirtschaft und Logistik und der Shop-Software, sind Online-Shops anfällig für technische Fehler. Werden Preislisten falsch verarbeitet, kann es zu massiv fehlerhaften Preisangaben auf den Shop-Seiten kommen. Sind die Preisfehler erst einmal öffentlich, machen sie im Internet in einschlägigen Foren als vermeintliche Schnäppchen in Windeseile die Runde.

Das LG München I (Urteil vom 29.04.2014 – Az. 12 O 11274/13) bestätigte zuletzt: Wenn sich aus den Umständen des Einzelfalls ergibt, dass der Kunde den Preis als offensichtlich falsch erkennen muss und er diesen Fehler auszunutzen versucht, liegt regelmäßig Rechtsmissbrauch vor. Der Händler kann sich auf den Einwand von Treu und Glauben berufen und die Lieferung der Ware verweigern.

Im konkreten Fall wurde der Preis eines Snowboards in einem Online-Shop mit EUR 1,05 statt des regulären UVP von EUR 1049,95 angezeigt. Der Kunde bestellte das Snowboard insgesamt zehn mal. Dass die Preise offensichtlich nicht stimmen konnten, sei ihm als Snowboard-Anfänger nicht aufgefallen, behauptete der Kunde später. Er habe die Snowboards auch nicht etwa verkaufen, sondern an Freunde „verschenken“ wollen.

Diese Geschichte nahm ihm das Gericht nicht ab. Es liege auf der Hand, dass es sich bei einem Preis, der nicht einmal die Versandkosten decken würde, nicht um den richtigen Preis handeln könne.

Wenn der Kläger [der Kunde] auf ein solches Angebot eine Bestellung abgibt, noch dazu für gleich zehn Stück, handelt er offensichtlich in dem Wissen, dass er bewusst versucht, einen Fehler der Beklagten [Online-Shop-Betreiberin] zu seinem Vorteil auszunutzen, und damit offensichtlich treuwidrig. Schon allein die Menge der Bestellung […] zeigt, dass es dem Kläger nicht darauf ankam, einen günstigen, aber noch realistischen Preis zu sichern, sondern darauf, einen offensichtlichen Fehler zu seinem eigenen Vorteil auszunutzen.

Dies sei rechtsmissbräuchlich, sodass der Händler gemäß Treu und Glaube nicht liefern müsse. Auf die Fragen, ob im konkreten Fall überhaupt ein wirksamer Vertrag geschlossen worden war oder (wenn ja) dieser wirksam vom Händler angefochten wurde, kam es deshalb nicht entscheidend an.

Das Urteil des LG München I setzt damit die Rechtsprechung verschiedener Instanzgerichte fort. In einem vom OLG München (Beschluss vom 15.11.2002 – Az. 19 W 2631/02 ) entschiedenen Fall wurde ein First-Class-Flug irrtümlich für EUR 728,30 statt EUR 3.676,30 angeboten. Das Gericht bejahte den Rechtsmissbrauch.

In einem anderen Fall ging es um einen Flachbildfernseher, der fälschlicherweise für EUR 199,99 statt EUR 1.999,00 angeboten wurde. Das OLG Nürnberg (Beschluss vom 10.07.2009 – Az. 14 U 622/09) ging auch in diesem Fall davon aus, dass der Preisfehler offensichtlich sei. Auch hier wurde Rechtsmissbrauch bejaht.

Händler sollten sich jedoch nicht blind auf diese Grundsätze verlassen, da es in jedem Fall auf die Betrachtung des Einzelfalls ankommt. Wenn sich im Online-Shop falsche Preise eingeschlichen haben, sollten die betroffenen Bestellungen deshalb vorsorglich per E-Mail an den Kunden wegen Irrtums angefochten werden, und zwar unabhängig davon, ob nach den AGB überhaupt ein Vertrag zustande gekommen ist.