Teil 2: Widerrufsrecht des Verbrauchers

Nachdem wir im ersten Teil des Beitrags auf die Neuerungen durch die EU-Verbraucherrechte-Richtlinie in Bezug auf Bestellung, Lieferung, sowie auf Informationspflichten der Shop-Betreiber eingegangen sind, soll im zweiten Teil erläutert werden, was sich im Bereich des Widerrufsrechts für Onlinehändler ändern wird.

  1. Ausnahmen vom Widerrufsrecht, Art. 16
  2. Widerrufsfrist von 14 Tagen, Art. 9 Abs. 2; Verlängerung um 12 Monate, Art. 10
  3. Neue Musterwiderrufsbelehrung, Anhang I Teil A
  4. Neues Musterwiderrufsformular für den Verbraucher, Art. 11 Abs. 1, Anhang I Teil B
  5. Rechte und Pflichten im Widerrufsfall, Art. 13, 14
  6. Tragung der Hinsendekosten, nicht für Expressversand Art. 13 Abs. 2
  7. Rücksendekosten, Wegfall der 40 Euro Klausel, Praxis, Art. 14 Abs. 1

 

1. In  Art. 16 Abs. 1 sieht die Richtlinie neue Ausnahmen vom Widerrufsrecht vor, welche die bisher bestehenden Ausnahmen des § 312d Abs. 3 BGB ergänzen werden. Ein Widerrufsrecht soll künftig nicht bestehen, wenn

  • versiegelte Waren geliefert werden, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes nicht zur Rückgabe geeignet sind und deren Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde (Art. 16 lit. e);
  • Waren geliefert werden, die nach ihrer Lieferung aufgrund ihrer Beschaffenheit untrennbar mit anderen Gütern vermischt wurden (Art. 16 lit. f);
  • alkoholische Getränke geliefert werden, deren Preis beim Abschluss des Kaufvertrags vereinbart wurde, deren Lieferung aber erst nach 30 Tagen erfolgen kann und deren aktueller Wert von Schwankungen auf dem Markt abhängt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat (Art. 16 lit. g).

2. In Art. 9 Abs. 1 der Richtline wird die Widerrufsfrist für den Verbraucher nunmehr auf 14 Tage vereinheitlicht. Da nun abweichende Regelungen zwischen den Mitgliedsstaaten entfallen, dürfte hierin der größte Gewinn für Online-Händler liegen.

Beim Verkauf von Waren beginnt die Frist an dem Tag zu laufen, an dem der Verbraucher  oder ein von ihm benannter Dritter die Ware erhalten hat. Bei Teillieferungen ist der Tag des Erhalts der letzten Lieferung maßgeblich.

Bei Dienstleistungsverträgen beginnt die Frist am Tag des Vertragsschlusses.

Der zweite große Vorteil für Händler liegt darin, dass in Zukunft die unendliche Widerrufsfrist des § 355 Abs. 4 S. 2 BGB entfällt. Bei einer Verletzung der Pflicht zur ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung verlängert sich die Widerrufsfrist künftig nur noch um 12 Monate auf dann 12 Monate und 14 Tage, vgl. Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie.

3. Im Anhang I, Teil A enthält die Richtlinie eine Musterwiderrufsbelehrung, die ebenfalls vom deutschen Gesetzgeber umgesetzt werden muss. In ihrer derzeitigen Form ist sie nicht geltendes deutsches Recht. Insoweit ist klar, dass es nach der Umsetzung wieder eine neue Widerrufsbelehrung geben wird.

4. Anhang I Teil B der Richtlinie enthält ein neues Musterwiderrufsformular für Verbraucher, über welches der Unternehmer nach Art 6 Abs. 1 lit. h der Richtlinie bei bestehendem Widerrufsrecht sogar in klarer und verständlicher Weise informieren muss. Dieses Formular kann der Verbraucher verwenden, muss er aber nicht. Nach Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie ist die Ausübung des Widerrufsrechts auch in beliebiger anderer Form erlaubt.

Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie bestimmt weiter , dass eine bloße Rücksendung der Ware künftig nicht mehr als wirksamer Widerruf gesehen werden soll. Nach der bisherigen Regelung des § 355 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB wurde hieraus ein entsprechender Erklärungswert geschlossen. In Zukunft dürfte es hierfür jedoch einer ausdrücklichen Erklärung bedürfen.

Ob und inwieweit diese Regelung auch in der Praxis Anwendung finden wird, ist fraglich. So werden Unternehmer die Annahme zurückgesendeter Waren ohne ausdrückliche Widerrufserklärung wohl kaum verweigern.

5. In Art. 13 und 14 enthält die Richtlinie detaillierte Regelungen zu den Rechten und Pflichten der Unternehmer und Verbraucher im Fall eines Widerrufs.

Nach Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie muss der Verbraucher die Ware unverzüglich, spätestens jedoch 14 Tage nach Erklärung des Widerrufs an den Unternehmer zurücksenden. Unterlässt er dies schuldhaft, kommt er auch ohne Mahnung mit seiner Rückgewährverpflichtung in Schuldnerverzug.

Jedoch trifft auch den Händler eine strengere Regelung. Nach Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie hat der Unternehmer alle Zahlungen in Zukunft binnen 14 Tagen ab Zugang der Widerrufserklärung an den Verbraucher zurückzuzahlen. Nach der bisher geltenden Regelung der §§ 357 Abs. 1 S. 2, 286 Abs. 3 BGB kommt der Händler spätestens 30 Tage nach Zugang des Widerrufs in Schuldnerverzug.

Außerdem regelt Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie, dass die Erstattung grundsätzlich in der gleichen Form, das heißt unter Verwendung des gleichen Zahlungsmittels zu erfolgen hat, welches der Verbraucher für die ursprüngliche Transaktion benutzt hat. Etwas Abweichendes kann vereinbart werden, wenn dem Verbraucher hierdurch keine zusätzlichen Kosten entstehen.

Nach Art. 13 Abs. 3 der Richtlinie hat der Unternehmer bei Kaufverträgen ein Zurückbehaltungsrecht, wonach er die Erstattung der Kosten solange verweigern kann, bis er die Ware vom Verbraucher zurück erhält oder dieser den Nachweis erbringt, dass er die Ware retourniert hat. Dies gilt ausdrücklich auch dann, wenn die vierzehntägige Rückzahlungsfrist bereits abgelaufen ist oder der Unternehmer bereits abgemahnt wurde. Etwas anderes dürfte gelten, wenn eine Abholung der Ware durch den Unternehmer vereinbart wurde, da dieser sonst durch deren Unterlassen die Fälligkeit des Erstattungsanspruchs hinauszögern könnte.

Die Möglichkeit des Wertersatzes durch den Verbraucher ist in Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie vorgesehen:

 Der Verbraucher haftet für einen etwaigen Wertverlust der Waren nur, wenn dieser Wertverlust auf einen zur Prüfung der Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise der Waren nicht notwendigen Umgang mit den Waren zurückzuführen ist. Der Verbraucher haftet in keinem Fall für den Wertverlust der Waren, wenn er vom Unternehmer nicht gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe h über sein Widerrufsrecht belehrt wurde.

 Im Rahmen dieses oftmals streitträchtigen Themas werden sich also auch nach der Umsetzung keine nennenswerten Änderungen ergeben.

6. Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie trifft die eindeutige Regelung, dass der Unternehmer im Fall des Widerrufs die Kosten für die Hinsendung zu übernehmen hat. Diese Pflicht wird jedoch von Art. 13 Abs. 2 beschränkt:

Unbeschadet des Absatzes 1 ist der Unternehmer nicht verpflichtet, zusätzliche Kosten zu erstatten, wenn sich der Verbraucher ausdrücklich für eine andere Art der Lieferung als die vom Unternehmer angebotene, günstigste Standardlieferung entschieden hat.

Wählt also der Verbraucher statt des günstigeren Standardversands eine teurere Versandmethode, etwa Expressversand, sind diese Mehrkosten nicht mehr durch den Unternehmer zu tragen.

Hatte der als verbraucherfreundlich geltende EuGH dies zuletzt anders gesehen, trifft die EU mit Hinblick auf das Ziel der Richtlinie, die Erleichterung des grenzüberschreitenden Versandhandels, hier eine unternehmerfreundlichere Kompromisslösung, die insofern durchaus zu begrüßen ist.

7. Auch hinsichtlich der Rücksendekosten trifft die Richtlinie eine vorteilhafte Regelung. Nach Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie werden diese in Zukunft grundsätzlich durch den Verbraucher zu tragen sein, wenn dieser vorher ausdrücklich darüber informiert wurde:

 Der Verbraucher hat nur die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren zu tragen, es sei denn, der Unternehmer hat sich bereit erklärt, diese Kosten zu tragen oder der Unternehmer hat es unterlassen, den Verbraucher darüber zu unterrichten, dass er diese Kosten zu tragen hat.

Damit wird die umstrittene 40-Euro-Klausel des § 357 Abs. 2 S. 3 BGB (link: http://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__357.html) demnächst der Vergangenheit angehören. Danach war es dem Unternehmer nur ausnahmsweise gestattet, die Rücksendekosten auf den Verbraucher zu übertragen, wenn der Preis der zurückzusendenden Sache 40 Euro nicht übersteigt oder im Zeitpunkt des Widerrufs noch nicht bezahlt worden war.

In der Praxis werden viele Unternehmer freilich auch in Zukunft freiwillig die Rücksendekosten tragen, da jedenfalls in umkämpften Branchen eine Abwälzung auf den Verbraucher einen entscheidenden Wettbewerbsnachteil darstellen könnte. Welche Lösung die jeweils wirtschaftlich sinnvollste ist, wird jeder Händler selbst entscheiden müssen.

Fazit:

Es bleibt festzuhalten, dass die Umsetzung der Verbraucherrechte-Richtlinie für Onlinehändler signifikante Veränderungen (positive und negative) bringen wird. Zudem wird auf die Betreiber ein nicht unerheblicher Aufwand zukommen, ihre Shops an die neuen Anforderungen vor allem im Hinblick auf ihre Informationspflichten anzupassen. In einigen Detailfragen bleibt die Umsetzung durch die Gesetzgeber abzuwarten.

Zum anderen wird die Harmonisierung, die für die nationalen Gesetzgeber nur wenig Spielraum lässt, zu zunehmender Rechtssicherheit und damit einer deutlichen Erleichterung des grenzüberschreitenden Handels führen. Nach unserer Auffassung wird gerade der deutsche Online-Handel hiervon profitieren, der schon längst den Cross-Border-Commerce als Expansionsfeld für sich entdeckt hat.

BPM legal unterstützt Online-Händler bei der Umsetzung der Änderungen. Weitere Informationen.