Ein Blog von Rechtsanwalt Christos Paloubis

Post Privacy: Das Datenschutzmodell der Generation Facebook

Immer wieder werde ich in meiner Eigenschaft als „jung-dynamischer Internetanwalt“ 😉 von meinen Bekannten auf das vermeintlich fehlende Datenschutzschutzbewusstsein der jungen Leute beim Umgang mit Facebook & Co angesprochen. Diese Bekannten sind meistens ältere Kollegen, denen die neuen Technologien naturgemäß bereits deshalb suspekt sind, weil es sich um etwas Neues handelt. Ich sehe mich dann immer veranlasst, für die jungen Leute (und das junge Medium) eine Lanze zu brechen und eine Erklärung zu liefern. Meistens fehlen mir aber die richtigen Worte. Ich beginne zu stammeln und verwende Begriffe wie „neue Kategorie von Privatsphäre“ und „bewusste informationelle Selbstbestimmung“. Ich fasele etwas von Paradigmenwechsel und neue soziale und private Dimensionen. Meine älteren Kollegen lächeln dann immer höflich. Insgeheim denken sie aber, dass ich Schwachsinn rede. Sie denken, es gibt nur eine Privatsphäre und sie denken, wozu sind sie denn in den 80’er Jahren gegen die Volkszählung auf die Strasse gegangen. Am Ende gebe ich auf und behaupte, es hätte irgendetwas mit Philosohpie zu tun. Nach solchen Diskussionen frage ich mich immer, ob ich eigentlich mit meiner Meinung alleine stehe.

Endlich ist es soweit. Ich bin doch nicht (mehr) allein. Das Phänomen hat einen Namen. Post Privacy. Und – das ist das tolle am Mobilisierungspotential der neuen sozialen Medien – das Phänomen ist bereits eine Bewegung. Gerade lese ich das Interview mit Julia Schramm auf SPON. Und dort findet die junge Dame unheimlich einfache und einleuchtende Erklärungen für eine Entwicklung, die ich bisher zwar gefühlsmässig wahrgenommen hatte aber für die ich eben keine plausible Erklärung hatte.

Keine Macht den Datenschützern. Wir finden, dass die aktuelle Diskussion um den Schutz von Daten an der Realität vorbeigeht. Wir leben in einer vernetzten Welt, wo Privatsphäre durch das Internet nicht mehr möglich ist. Nun müssen wir sehen, wie wir damit umgehen.

Möglicherweise, sind die Kernaussagen der Bewegung noch etwas plakativ und nicht differenziert genug.

Wir haben längst die Kontrolle darüber verloren. Ob wir es nun gut finden oder nicht: Privatsphäre ist sowas von Eighties.

Allerdings stimme ich überein, dass der heute bestehende gesetzliche Datenschutz weder den Anforderungen noch den tatsächlichen Realitäten der digitalen Gesellschaft gerecht werden kann. Fakt ist auch, dass alle bisherigen Versuche, das (mühsam erkämpfte) Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung zu modernisieren bislang gescheitert sind. Hier mag an die hilflosen Versuche zum Beispiel beim Thema Google Street View erinnert werden. Und (hier kommt mein gedanklicher Beitrag) ich denke, dass die Ursache für dieses Scheitern vor allem darin liegt, dass bei der Diskussion über die Modernisierung immer noch in den alten Kategorien gedacht wird. Und deswegen ist diese Post Privacy Bewegung ein wichtger Beitrag für das Verständnis der echten Bedrüfnisse der Generation Facebook. Selbst wenn die Bewegung noch ein wenig wie eine trotzige Jugend-Spass-Revolte wirkt.

Wichtig ist vor allem, und auch das hat die Bewegung offensichtlich bereits erkannt

„Post-Privacy“ ist für Julia Schramm kein fertiges Modell, sondern Beitrag zu einer Debatte über das künftige Verhältnis von Internet und Gesellschaft. „Um dieses neu zu bestimmen, sind auch Visionen erforderlich.“

Besser könnte nicht einmal ich es beschreiben.

Vielleicht kann diese Diskussion den Weg vorbereiten für einen grossen Wurf, für ein völlig neues und zukunftsorientiertes Datenschutzmodell. Insbesondere könnte dann auch die völlig realitätsftremde Diskussion um die Fragen der Personenbezogenheit von IP-Adressen ein Ende finden.

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Kein Wettbewerbsverstoß durch Facebook „Gefällt-mir-Button“

  1. Jan

    Voller Genuss habe ich diesen Beitrag gelesen. Tatsächlich hilft er, einiges an modernem Internetverhalten zu erklären.
    Was das tatsächlich für uns bedeutet, ob es gut oder schlecht ist, darüber habe ich mir noch keine abschließende Bewertung bilden können. Tatsächlich ist es aber wohl ein Weg, den wir längst beschreiten. Vielleicht kann es ein Weg zu mehr Toleranz sein. Vielleicht führt er aber auch direkt auf den Abgrund zu. Ich hoffe auf ersteres.
    Auf jeden Fall ist es wichtig, ihn zu diskutieren. Daher danke für diesen Beitrag.
    Viele Grüße aus dem Norden, Jan

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