Die im Koalitionsvertrag vereinbarte einjährige Aussetzungsfrist für das so genannte Zugangserschwerungsgesetz ist am 28.02.2011 ausgelaufen. Anlass genug für den einen oder anderen Hardliner, sich mit der Forderung nach Internetsperren zurückzumelden. Bemerkenswert sind jedoch die überraschend kritischen Töne aus den eigenen Reihen: Während der Innenminister den Vorstoß umgehend zurückweist, distanziert sich twitternd Dorothee Bär, ihres Zeichens Vorsitzende des CSU-Netzrats. Deutliche Worte findet Union-Fraktionsvize Michael Kretschmer, der den Netzsperren-Befürwortern gar „viel Unkenntnis“ attestiert. Anzeichen eines Umdenkens innerhalb der Union?

Es bedurfte keines Blickes in die Kristallkugel, dass gewisse Kräfte nach Ablauf der Aussetzungsfrist lautstark – und vor allem publikumswirksam – erneut die Einführung von Internetsperren fordern würden – lieber gestern als heute. Es überrascht auch nicht, dass der angeblich mangelnde Erfolg des Grundsatzes „Löschen statt Sperren“ zur Begründung vorgeschoben wird. Die Befürworter spielen dabei auf die Jahresbilanz des BKA an, nach der das Löschen problematischer Seiten nur in sechs von zehn Fällen erfolgreich sei. Internetsperren seien deshalb wegen „nachgewiesener Erforderlichkeit“ einzusetzen. Jedoch dürfte sich vor dem Hintergrund, dass beim BKA lediglich sechs Stellen mit der Bekämpfung von Kinderpornographie befasst sind, kaum jemand ernsthaft über die zweifelsfrei ausbaufähigen Arbeitsergebnisse wundern. Unbestritten offenbart diese Studie eine „nachgewiesene Erforderlichkeit“ – eine Erforderlichkeit, mehr Fachkräfte mit der Bekämpfung problematischer Inhalte zu betrauen.

Der Vorstoß aus der Unionsfraktion fällt jedoch in eine Zeit, in der sich die politische Stimmung zunehmend gegen Netzsperren richtet. Längst sind es nicht mehr nur die Netzaktivisten und Bürgerrechtler, die die Alarmglocken läuten. Unlängst beschloss die CSU, dereinst glühende Verfechterin der Internetsperren, eine Abkehr von ihrer bisherigen Position. Als untaugliches Instrument, das allzu leicht umgangen werden kann, werden die Zugangsbarrieren nunmehr im Positionspapier der Christsozialen bezeichnet. Die Debatte um Internetsperren ist gleichermaßen im europäischen Kontext zu betrachten: Im Zusammenhang mit der geplanten EU-Kinderschutzrichtlinie sprachen sich jüngst die Abgeordneten des EP deutlich gegen verpflichtende Netzsperren aus (siehe unseren Beitrag vom 22.02.2011) und forderten ebenfalls, dass das Löschen Priorität haben müsse.

Freilich bleibt abzuwarten, ob sich die Kritiker von Netzsperren innerhalb der Union durchsetzen werden. Die aktuelle Entwicklung ist jedoch zu begrüßen – sie zeigt, dass bei den einstigen Befürwortern ein Prozess des Umdenkens einsetzt und die anhaltende Kritik an den Netzsperren allmählich ernst genommen wird.