Die Wertersatz-Problematik bleibt für Onlinehändler auch über ein Jahr nach der zahlreich zitierten EuGH-Entscheidung brisant und gleichermaßen verwirrend. Artikel, die nach Ausübung des Widerrufsrechts zum Händler zurückkehren, sind oftmals nicht mehr oder nur noch eingeschränkt verkäuflich, aus diesem Grund besteht im E-Commerce vielfach ein wirtschaftliches Bedürfnis nach Ersatz des Minderwerts. Zusätzlich erschwert nun ein aktuelles Urteil des BGH vom 03.11.2010 (Az: VIII ZR 337/09) dem Händler die Möglichkeit, Wertersatz gelten zu machen.

Der unter anderem für Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des BGH hat entschieden, dass keine Wertersatzpflicht des Verbrauchers besteht, wenn er die Sache zu Prüfungszwecken in Gebrauch nimmt, selbst wenn sich die Sache durch diese Prüfung verschlechtert. Verbraucher erhalten so die Möglichkeit, die Sache umfassend auszuprobieren. Onlinehändler befürchten jedoch, dass diese Entscheidung dem Missbrauch des Widerrufsrechts Tür und Tor öffnet.

Im konkreten Rechtsstreit hatte ein Verbraucher online ein Wasserbett bestellt. In der Bestätigungsmail wies der Händler auf den Umstand hin, dass bei Befüllung des Betts mit Wasser regelmäßig eine Verschlechterung eintrete, da das Bett nicht mehr als neuwertig zu veräußern sei. Der Verbraucher baute das Wasserbett auf und befüllte es mit Wasser. Nach Ausübung des Widerrufsrechts behielt der Händler den Teil des Kaufpreises ein, der dem Wert der nicht wiederverwendbaren Bestandteile des Betts entspricht. Der BGH verurteilte den Händler nun zur Erstattung dieses Betrags. Der Verbraucher musste somit überhaupt keinen Wertersatz leisten.

Die Karlsruher Richter führten zur Begründung aus, der Verbraucher habe die Ware lediglich geprüft. Grundsätzlich hat ein Verbraucher gemäß § 357 Abs. 3 Satz 1 BGB bei Untergang oder Verschlechterung der Sache Wertersatz zu leisten. Dies gilt gemäß Satz 3 jedoch nicht, wenn die Verschlechterung nur auf die Prüfung der Sache zurückzuführen ist. Dies sei hier der Fall. Der Aufbau des Betts und die Befüllung der Matratze mit Wasser stellen lediglich eine Prüfung der Sache dar, so der Senat. Hintergrund der Wertersatzregelung ist die europäische Fernabsatzrichtlinie, nach der Verbraucher grundsätzlich die Möglichkeit haben sollen, online gekaufte Waren zu prüfen und auszuprobieren, weil sie die Ware vor Vertragsschluss, anders als im Geschäft vor Ort, weder sehen noch testen können.

Die Konsequenz aus dem Urteil ist, dass das Prüfungsrecht des Käufers im Fernabsatzhandel weit auszulegen ist. Eine Ingebrauchnahme, soweit sie zur Prüfung der Sache erforderlich ist, ist demnach auch dann zulässig, wenn sie zu einer Wertminderung führt und die Sache nicht mehr als neuwertig verkauft werden kann. Aus dem Blickwinkel des Verbraucherschutzes mag das Urteil erfreulich sein, zum Leidwesen der Onlinehändler wird jedoch durch das Urteil der vielfach beklagten missbräuchlichen Ausübung des Widerrufsrechts Vorschub geleistet. Preiserhöhungen, die alle Verbraucher zu tragen haben, könnten letzten Endes die Folge sein.

Link zur Pressemitteilung des BGH