Die seit langem strittige Frage, ob Onlinehändler neben den Rücksendekosten auch die Kosten für die ursprüngliche Zusendung an den Verbraucher, die Hinsendekosten, zu tragen haben, wenn der Verbraucher von seinem Widerrufsrecht Gebrauch macht, ist nun geklärt. Der EuGH entschied in einer für den Fernabsatz grundlegenden Entscheidung am 15.04.2010 erwartungsgemäß, dass dem Verbraucher im Fall eines Widerrufs die Hinsendekosten nicht auferlegt werden dürfen. Dies hatte bereits der EuGH-Generalanwalt in seinen Schlussanträgen so beantragt (siehe auch hier). Händler, die die Hinsendekosten bislang nicht erstatten, sollten nun ihre AGB überprüfen und ihre Praxis ändern, andernfalls drohen Abmahnungen.

Der EuGH begründet seine Entscheidung mit der Fernabsatzrichtlinie (97/7/EG). Gemäß Artikel 6 Abs. 2 dürfen dem Verbraucher lediglich die Rücksendekosten auferlegt werden. Der deutsche Gesetzgeber hat von dieser Option jedoch lediglich eingeschränkt Gebrauch gemacht, indem er die Kostentragungspflicht für die Rücksendung grundsätzlich dem Händler zuweist und lediglich eine Ausnahmeregelung in Form der 40-Euro-Klausel (zu den aktuellen Entwicklungen siehe hier) konstruiert hat. Die Frage, wer die Hinsendekosten trägt, beantwortet das deutsche Gesetz indes nicht. Auch der BGH hatte Zweifel, ob es mit der Richtlinie vereinbar ist, dem Verbraucher die Kosten aufzuerlegen, und legte die Frage im Jahr 2008 dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.

In seiner Begründung verwies der EuGH auf das Ziel der europarechtlichen Bestimmungen zum Widerrufsrecht, den Verbraucher nicht von der Ausübung des Widerrufs abzuhalten. Die Auferlegung der Hinsendekosten läuft diesem Ziel nach Ansicht der Luxemburger Richter jedoch zuwider. Ebenso betont das Gericht, dass es einer ausgewogenen Risikoverteilung entgegenstünde, wenn der Verbraucher sämtliche Versandkosten tragen müsse.

Dieses Urteil sollte für den Gesetzgeber Anlass genug sein, die Regelungen zur Kostentragungspflicht grundlegend umzugestalten und dem europäischen Standard anzupassen. In nahezu allen anderen EU-Mitgliedstaaten ist gesetzlich geregelt, dass der Verbraucher die Rücksendekosten zu tragen hat. Nicht zuletzt mahnt der EuGH eine ausgewogenene Risikoverteilung an, hierzulande ist dies jedoch nur in Ausnahmefällen (bei Gebrauch der 40-Euro-Klausel) überhaupt möglich, in allen anderen Fällen ist der Händler doppelt belastet. Eine Gesetzesänderung ist vor diesem Hintergrund nicht nur wünschenswert, sondern wohl auch geboten.

Quelle: Pressemitteilung des EuGH

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